Als Homosexueller sass er jahrelang in sowjetischen Straflagern und zog es vor, als freier Mann über Jahrzehnte in der Gulagstadt Magadan am Pazifischen Ozean zu leben. Mit über 80 Jahren wurde er schliesslich wiederentdeckt.
Wadim Kosin wird 1905 in Sankt Petersburg geboren. Schnell und unaufhaltsam steigt er in den späten 1920er-Jahren in den Olymp des sowjetischen Entertainments auf. Er zieht nach Moskau, gibt umjubelte Konzerte en masse, singt im Kreml, nimmt Schallplatten auf ein gefeierter Star, dem das Land zu Füssen liegt.
Doch dann tut das 20. Jahrhundert, worin es unübertroffen gut ist: Es versorgt Kosin mit einer tragischen Biografie. 1944 wird Kosin verhaftet und als Homosexueller zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Kosin verbüsst die Strafe an dem Fluss Kolyma allerdings nicht in den gefürchteten Bergwerken Ostsibiriens, sondern als Künstler vergleichsweise komfortabel am Magadaner Lagertheater.
In den 1950er-Jahren tourt Kosin von Magadan aus kreuz und quer durch die Sowjetunion, bevor er 1959 erneut als Homosexueller verurteilt wird. Nach seiner Entlassung zieht es Kosin vor, in Magadan am Pazifik zu bleiben, wo er von der lokalen Bevölkerung bis zu seinem Lebensende als legendärer Sänger und Sonderling verehrt und geliebt wird.
Mit dem Beginn der Perestroika spricht sich schliesslich auch in den russischen Metropolen herum, dass am anderen Ende des Landes der legendäre Wadim Kosin überlebt hat. Dokumentarfilme entstehen, Kosin empfängt viel Besuch aus Moskau und Petersburg und erlebt schliesslich kurz vor seinem Tod, dass seine legendären Aufnahmen aus den 1930er-Jahren und 1940er-Jahren in Russland und auch in Amerika wiederaufgelegt wurden: als LPs und Kassetten!
Heute, 20 Jahre nach seinem Tod, gilt Kosin in Russland als einer der grossen Entertainer des 20. Jahrhunderts. Wegen seiner Aufnahmen, wegen seiner Lieder, wegen seiner unvergleichlichen Stimme und nicht zuletzt auch wegen seiner dramatischen Biografie.
