Zum Inhalt springen

Header

Audio
Nur das feinste und exklusivste Papier ist gut genug.
Colourbox
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 50 Sekunden.
Inhalt

Das Gäste-WC: Visitenkarte des kultivierten Gastgebers

So manches Gäste-WC verdient diesen Titel eigentlich nicht: ungastlich und unsauber präsentieren sie sich. Andere wiederum strotzen vor Ambition und teilen auf unfreiwillig komische Weise mit, welche unerfüllten Träume und gescheiterten Lebensentwürfe den Gastgeber plagen. Ein kleines Stil-Brevier.

Gute Gastgeber bieten

1. Anständige Lektüre mit Niveau: Wer seinen Gästen etwas intellektuelle Zerstreuung beim Entladen von körperlichem Ballast schenkt, wird gerne wieder besucht. Auf das WC gehört ein kleiner, wohl sortierter Stapel von sauberen, geistvollen Magazinen mit ansprechendem Lese-Kurzfutter.

2. Ultraweiches, mehrlagiges WC-Papier: Kann schon sein, dass das hellbraune Ultradünn-Schmirgelpapier für die Umwelt besser ist, aber damit möchte sich gerne seinen Unterleib sauber machen. Es muss also das feinste und exklusivste Papier sein, das man finden kann.

3. Angenehmes Licht: Sich gekonnt zu entleeren hat viel mit Entspannung und Wohlbefinden zu tun. Wer auf dem Gäste-Klo eine grausame Neonröhre oder Ultrahell-Halogenbirne aufhängt, der beraubt seinen Besuch des meditativen Moments des charmant beleuchteten Alleinseins.

4. Evt. etwas Entspannungsmusik: Weil nicht jeder Gast die Akustik eines fremden Hauses sofort einschätzen kann, ist er oft etwas gehemmt. Mit einem leisen, angenehmen Klangteppich schafft man bessere Voraussetzungen für ein gelungenes Geschäft.

5. Japanische Frotteetücher: Papierhandtücher sind etwas für Gastro-Grossbetriebe. Ein Gästeklo muss mit textilen Handtüchern ausgestattet sein. Kenner schätzen die japanischen Frotteetücher, die eine glatte und eine geschlaufte Seite haben. Ansonsten tut es auch ein Stapel kleiner Lappen.

6. Kosmetiktücher: Der Gang aufs stille Örtchen verbindet so mancher Gast mit einem Check-up und Update der äusseren Erscheinung. Wer ausser gutem Klopapier auch einen Spender mit zarten Kosmetiktüchern bereitstehen hat, sammelt Stil-Extrapunkte.

7. Prestige-Flüssigseifen: Welche Handseife man aufstellt, ist eine Frage des individuellen Stils es muss einfach eine sehr, sehr gute sein. Fashion-Leute schwören auf Aesop aus Australien, urbane Neo-Körnlipicker auf Kiehls, Fans von englischer Lebensart auf Molto Brown.

8. Handcrème: Nach dem Händewaschen möchte man die Hände eincrèmen. Idealerweise steht dazu eine nicht allzu geruchsintensive Handcrème bereit, die zur Seife passt. Für den szenigen Menschen: Dr. Hauschka. Naturverbundene Provence-Romantiker wählen LOccitane.

9. Poo Drops: So manches gute Essen verursacht beim Gast den dringlichen Wunsch, etwas anderes auszuscheiden, und das erzeugt mitunter Gerüche, die es zu vertuschen gilt. Nichts wirkt souveräner als ein paar «gouttes anti-odeur de merde» in der Schüssel (etwa von Aesop).

10. Blumen: Doch doch, frische Schnittblumen gehören nicht nur auf den Salontisch, sondern auch auf die Gästetoilette. Sie unterstreichen den dort vorhandenen natürlichen Eindruck von Frische und sind das Tüpfelchen aufs i, was gute Gastgeberschaft ausmacht.

Hinweise auf böse, falsche Menschen sind

1. Mangelnder Notvorrat: Wer weniger als eine Ersatzrolle WC-Papier (nebst der angefangenen) bereit stehen hat, ist ein schlechter Gastgeber und ein Geizhals. Dies wird auch nicht dadurch kompensiert, indem man das vorstehende Stück Papier hotelmässig zum Dreieck faltet.

2. «Originelle» WC-Brillen: Es gibt nichts grausameres, als sich auf den lauwarmen Scherz eines fantasielosen Gastgebers setzen zu müssen man denke an transparente Ringe mit eingelassenen Blumen, Stacheldrähten und Gummifischen - oder an hölzerne Sitzrahmen!

3. Zerlesene Gammelhefte: Was auf dem Gäste-Klo an Lesestoff herumliegt, sollte nicht älter als drei Monate sein, keine angeranzten Ecken oder zusammengeklebte Seiten haben. Wer seinen Gästen nichts als sein Altpapier gönnt, sollte selbst auch keine grossen Geschenke erwarten.

4. Duftstäbe: Diese scheinbar coolen Klarglasflaschen mit einer Handvoll Zedernholzstäbchen, die Wohlgeruch verbreiten, sind inzwischen demodé und jeder Originalität beraubt. Abgesehen davon, dass die darin enthaltenen Essenzen oft bald schon ranzig riechen.

5. Eiskaltes Klima: Fieslinge lüften ihre von Natur aus stinkende Toilette vor Eintreffen des Besuchs derart, dass der Gast später darin zu erfrieren droht. Gut gemeint, aber bös daneben gegangen! Vor allem Damen reagieren empfindlich auf solche Grobheiten.

6. Schale mit Trockenblumen: Auch so ein Gammel-Mythos, der sich total entzaubert hat: Das stabile Schälchen mit provenzalischem Trocken-Laub und anderem schwer definierbaren Bio-Müll, der angeblich wohlriechend sein soll. Am besten gleich ins Klo kippen.

7. Halb aufgebrauchte Kosmetika: Ein Gäste-WC ist nicht dazu angetan, des Gastgebers Resteschublade zu sein. Wer etwas aufstellt, der zeigt damit an, dass der Gast diese Dinge auch brauchen darf. Wer danach seine Schubladen später zerwühlt vorfindet, ist selber schuld.

8. Trocknende Wäsche: Die Unterhose, die lustig über der Heizung baumelt und das Jogging-Shirt, das an der Handtuchstange auslüftet: Brr - pfui, so viel individuelle Einblicke möchte man auch als regelmässiger Gast eines fremden Menschen nicht haben.

9. «Lustige» Hinweise zum Gebrauch der Toilette: «Bitte nicht im Stehen pinkeln» und andere gutmeinende Gebrauchsanweisungen fürs stille Örtchen haben meist die gegenteilige Wirkung spornen nur den sportlichen Ehrgeiz der Stehpinkler und Fäkal-Pointillisten an.

10. Fiese Schleimseifen im Saft: Auf die Gäste-Toilette gehört, der Hygiene wegen, keine feste Seife am Stück, die immer ein bisschen grausig in der Schale vor sich hin feuchtet, sondern ein flüssiges Handreinigungsmittel.

Mehr von «Stil-Tipp»