Gleich zweimal hintereinander habe ich Adimis Buch verschlungen. Die Algerierin erzählt mit Drive vom Wunsch frei zu sein und dennoch unter die Haube zu kommen:
«Ich träume von einem Mann, der die alten Rockbands mag, die heute kein Mensch mehr hört. Der mich in meinem löchrigen Lieblings-T-Shirt und meinen Wollstrümpfen ins Bett gehen lässt. Der Miller, Salinger und Desnos gelesen hat. Und auch Kateb, Mammeri und Machfus. Der im Morgengrauen mit mir in den Zug steigt, ohne zu wissen, wohin die Fahrt geht. Dem es egal ist, ob der Joghurt nur bis zum Vortag haltbar war.»
Die Ich-Erzählerin ist 29, Bildredakteurin und in ihrem Beruf etabliert. Vor zehn Jahren hat sie Algier verlassen, um in Paris Karriere zu machen. Doch richtig angekommen ist sie in der Grossstadt nicht. Die Einsamkeit hat sie im Klammergriff. Als dann die Mutter anruft und voller Stolz mitteilt, dass bald die Verlobungsparty ihrer jüngeren Schwester steigen wird, holt sie die Torschlusspanik ein. Und sie beginnt über ihr Single-Leben nachzugrübeln.
Daumen rauf
- Aus diesem Roman könnte ich einfach alles zitieren. Stark zum Beispiel die Ansage gleich am Anfang. Da beschreibt die Ich-Erzählerin wie sie zum ersten Mal, seit sie nach Paris gegangen war, nach Algier zurückkommt. Diese Schikanen am Flughafen, diese algerischen Männer mit ihrem gegelten Haar, die träge an den Wänden lehnen, mit schmutzigen Gedanken und dreisten Sprüchen auf den Lippen.
- Authentisch und berührend wie da eine junge Frau gegen ihren kulturellen Background ankämpft. Eingeklemmt zwischen Paris und Algier. Zwischen den Erwartungen der Familie und ihrem eigenen Drang nach Liebe und Selbstbestimmung.
- Gute Unterhaltung. Adimi bringt mich mit ihrem selbstironischen Blick nicht nur zum Grübeln und Aufheulen, sondern auch zum Lachen: «Seit Mamas Anruf macht mir mein Nacken zu schaffen. Mein Arzt hat gemeint, wenn ich einen Ehemann hätte, würde der sich schon darum kümmern. Ich habe gelacht. Gehustet. Und bin in Panik auf und davon. Wenn. Ich. Einen. Ehemann. Hätte. Ich denke an die Statistiken, die ich gegen mich habe in einer Stadt wie dieser, denke an die Frauen, die einsam sterben oder, schlimmer noch, allein mit ihrer Katze, die ihnen dann das Gesicht zerkratzt.» Merde alors. Darum habe ich einen Hund und keine Katze.Wuff.
Daumen runter
«Steine in meiner Hand» ist ein furchtbar langweiliger Titel. Auch wenn die Kieselsteine in der Tasche der Erzählerin am Ende nicht mehr schwer wiegen.
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Die Autorin
Kaouther Adimi, geboren 1986 in Algier, lebt und arbeitet seit 2009 in Paris. «Steine in meiner Hand» ist ihr zweiter Roman und ihr erster Roman auf Deutsch. Er war für den Prix de la Littérature Arabe nominiert. Unterdessen ist auch ihr dritter Roman «Nos richesses» bei Seuil erschienen. Eine deutsche Übersetzung steht aber noch aus.
Das Buch: Kaouther Adimi: «Steine in meiner Hand» (2017, Lenos)
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