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Ist dem Kosovo noch zu helfen?
Aus Forum vom 16.04.2015. Bild: keystone
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Radio SRF 1 Die Diskussion im «Forum»: Ist dem Kosovo noch zu helfen?

Zehntausende Kosovaren haben in den letzten Monaten ihr Land verlassen. Einige von ihnen kommen illegal in die Schweiz. Was ist los im Kosovo? Wie soll die Schweiz vor Ort helfen? In der Sendung diskutierten Schweiz-Kosovaren, SRF-Südosteuropa-Korrespondent Walter Müller und Hörerinnen und Hörer.

Seit sieben Jahren ist der Kosovo unabhängig. Die Schweiz investiert jährlich 65 Millionen Franken in den jungen Staat. Das Geld fliesst in Entwicklungsprogramme und in den Swisscoy-Einsatz zur Friedensförderung. Trotzdem: Im Land ist Korruption immer noch weit verbreitet und fast die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos.

In den letzten Monaten kam es zu einem Massenexodus: Etwa 50'000 Kosovarinnen und Kosovaren haben Haus, Schule oder Arbeit zurückgelassen und sind per Bus über Ungarn nach Westeuropa abgereist. Die meisten gehen nach Deutschland, Österreich oder Italien. Einige hundert Menschen landen in der Schweiz. Chancen auf Asyl haben sie keine. Sie schlagen sich illegal durch.

Hauptproblem Korruption

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«Korruption ist normal»
aus Audio SRF 1 vom 17.04.2015.
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Walter Müller, Südosteuropa-Korrespondent von Radio SRF, sieht in der Korruption das Hauptproblem im Kosovo. Diese sei insbesondere bei Staatsaufträgen gravierend: «Bei öffentlichen Ausschreibungen ist es normal, dass Beamte ihre Provision einsacken.»

Müller hält nichts von weiteren Räten und Kommissionen, die sich mit der Korruption auseinandersetzen. Jetzt müsse man im Kosovo handeln: «Diskussionsrunden gab es zur Genüge. Jetzt gilt es, das Gesetz anzuwenden, anzuklagen und auch zu verurteilen.» Genau das geschehe aber nicht.

«Die Solidarität hat sich verändert»

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«Man schickt nicht mehr einfach Geld»
aus Audio SRF 1 vom 16.04.2015.
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Wie reagieren die Kosovaren, die legal in der Schweiz wohnen, auf den Exodus und die momentane Situation im kleinen Balkan-Land? Die Solidarität in der kosovarischen Diaspora habe sich in den letzten Jahren verändert, sagt Përparim Avdili. Er kam als Baby in die Schweiz. Heute ist er Mitglied der FDP und Teamleiter Anlagebuchhaltung bei der UBS in Zürich. «Die Bereitschaft zu helfen ist nach wie vor gross, aber sie geschieht auf konkreterem Weg», sagt er. Heute schicke man nicht mehr einfach Geld in den Kosovo, wie es die Eltern noch getan hätten. Vielmehr würden Diaspora-Gruppen etwa vor Ort in Dörfern Infrastruktur aufbauen helfen.

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«Jeder schaut für sich selber»
aus Audio SRF 1 vom 16.04.2015.
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Den Solidaritätswandel bemerkt auch Ylfete Fanaj. Sie kam mit neun Jahren in die Schweiz und ist heute Sozialarbeiterin und SP-Kantonsrätin im Kanton Luzern. Sie sieht folgende Gründe, warum sich die Solidarität gewandelt hat: «Früher ging es ums nackte Überleben. Jetzt gibt es einen eigenständigen Staat Kosovo und damit von Seiten der Diaspora die Erwartungshaltung, dass jeder für sich selber schauen muss.» Die Bereitschaft, illegale Flüchtlinge aufzunehmen, sei heute geringer als in den 1990er-Jahren. Kosovaren hätten sich in der Schweiz auch etwas erarbeitet, das sie nicht riskieren wollen.

Soll die Schweiz die Hilfe im Kosovo verstärken oder bringt das nichts?

Während die einen in der Online-Diskussion gerne die Kosovaren selbst in die Pflicht nehmen würden, schlagen andere Hörerinnen und Hörer konkrete Massnahmen vor, wie die Schweiz den Kosovo unterstützen kann. Dabei steht die Förderung von Bildung, Wirtschaft und politischer Stabilität im Vordergrund – Apsekte, die auch die drei Gäste im Studio als zentral für die Stärkung des Landes und den Kampf gegen die Korruption erachten.

In Form von Pilotprojekten und einfachem Erfahrungsaustausch in Sachen Berufsbildung können wir Unterstützung leisten. Das Interesse ist da, und wenn wir etwas strukturieren helfen und die willigen Kräfte im Kosovo mit kleinen Erfolgserlebnissen wieder zu Selbstvertrauen führen, dann kann da wieder ‹etwas wachsen›!
Autor: Bruno Geiger Inwil
Die Schweiz sollte Projekte finanzieren, um politische Stabilität zu fördern. Sie könnte ein wirtschaftliches Konzept anbieten, das dem Kosovo eine klare Perspektive gibt. In diesem Sinne könnte zum Beispiel eine Mitgliedschaft Kosovos in der EFTA ein spannender Ansatz sein.
Autor: Roman Oeschger Büren

Gesucht: Weg aus der Isolation

Die Korruption ist im Kosovo ein grosses Problem. Daher stellt sich die Frage: Fallen die Entwicklungsprojekte, die im Land laufen, auf fruchtbaren Boden oder braucht es zuerst einen politischen Wechsel? Der politische Mentalitätswechsel sei wichtig, sagt Walter Müller. «Es gibt aber auch gute Beispiele, wie man im Kosovo investieren kann.» Wichtig sei, dass der Kosovo möglichst bald aus der Isolation herauskomme.

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