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Online-Talk Coronasprache
Bild: Colourbox
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#DiniMundart Verseucht Corona unsere Sprache?

Die Bevölkerung ist weit davon entfernt, aber unsere Sprache scheint es bereits zu sein: Durchseucht vom Coronavirus. Ist das schlimm?

Nein. Denn wir müssen angemessen über alles reden können. Also ist es nur logisch, dass sich ein allumfassendes Ereignis wie die Corona-Pandemie in der Sprache abbildet.

Im Frühling mutierten wir alle in Rekordzeit zu Fachleuten und lernten, einen Satz wie den folgenden (erfundenen) zu verstehen: «Eine hohe R-Zahl führt zwar zur rascheren Durchseuchung der Gesellschaft und damit vielleicht zur Herdenimmunität, allerdings auf Kosten vulnerabler Bevölkerungsgruppen.»

Der Wissenschaftsdiskurs wird zur Alltagssprache

In unserer komplexen Welt tröpfeln Fachbegriffe auch zu normalen Zeiten stetig in die Alltagssprache ein, besonders aus der Medizin und aus der Ökonomie. Ungewöhnlich ist bloss, dass die Öffentlichkeit seit dem Ausbruch der Coronapandemie so schnell und mit einer so grossen Zahl von Wörtern aus der Wissenschaftssprache vertraut wurde - von Aerosol über Superspreader bis zu Zwangslockdown. Daran lässt sich ablesen, wie sprachlos Politik und Gesellschaft am Anfang dem Virus und seiner Wirkung gegenüberstanden und wie sehr man von den Experten Wörter und Erklärungen benötigte.

Ein bisschen falsch, ein bisschen ungenau

Dass die Alltagssprache der neuen Realität hinterherhastet, zeigt sich an unserem ungenauen Wortgebrauch. So wird pauschal von Corona gesprochen, wo man eigentlich zwischen dem Virus (Sars-CoV-2) und der durch das Virus verursachten Erkrankung der Atemwege (Covid-19) unterscheiden müsste. Entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch wurde in der Schweiz noch kein Lockdown (vollständige Abriegelung mit Ausgangssperre) verhängt, sondern «nur» ein Shutdown, also die Teilschliessung des öffentlichen Lebens. Und ob «der Virus» oder «das Virus» korrekt ist, wird zusehends unklarer.

Neuer Wortreichtum dank Corona

Aber vielleicht verseucht Corona unsere Sprache ja gar nicht, sondern bereichert sie vielmehr. Immerhin verfügen wir jetzt über Wörter wie Fussgruss und Ellenbogengruss, Hygienedemo und Balkonkonzert und dank Daniel Koch vom BAG auch über das wunderbar sperrige «die Aare ist bebadbar».

Andere Wörter haben ganz neue Bedeutungen erhalten: Die Maskenpflicht galt bisher höchstens an Fasnachtsveranstaltungen und die Abstandsregel war auf das Verkehrs- und das Bauwesen beschränkt. Schmierinfektion, Hamsterkauf oder Superspreader sind zwar keine Neuerfindungen, aber Corona hat sie aus ihrem Nischendasein ins Rampenlicht gezerrt.

Humor gegen den Überdruss

Jede Krise ist ein Fest für Satiriker. Drum floriert dank Corona auch der Sprachwitz, von der Corontäne bis zur Ermahnung, immer schön negativ zu bleiben. Als im Frühling die Coiffeursalons zu waren, trug man halt eine Krisenfrise. Und zumindest in Deutschland macht man sich die Maske mit der Bezeichnung Schnutenpulli erträglicher. Wunderbar erfrischend, wenn auch vielleicht unfreiwillig komisch, ist auch die Reality-TV-Darstellerin Mama Wollny, die ihren Töchtern vor dem Einkaufen rät: «Passt auf euch auf und atmet nicht so viel Luft.»

Radio SRF 1, Online-Talk, 10. November 2020, 15.15 Uhr;

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