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Wie leben wir nachhaltiger?
Aus Treffpunkt vom 24.03.2021. Bild: Keystone
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Nachhaltigkeit im Alltag Elf Tipps für ein nachhaltigeres Leben

Die Schweizer Bevölkerung lebt auf zu grossem Fuss. Die Fläche von rund drei Erden wären nötig, hätten alle Menschen den gleichen Lebensstandard wie wir in der Schweiz.

Die Schweiz ist keine Klima- und Umwelt-Musterschülerin

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Auto-Abgas in der Stadt Zürich vor einem Fussgänger.
Legende: Keystone / Gaetan Bally

Pro Person und Jahr stossen wir rund 14 Tonnen CO2-Äquivalente aus. Weltweit liegt der Schnitt bei ungefähr sieben Tonnen. Umweltverträglich wären laut dem aktuellsten Umweltbericht des Bundesrats schätzungsweise 0,6 Tonnen pro Person.

Die schlimmsten Umweltsünden

Für insgesamt zwei Drittel aller Umweltbelastungen sind die Ernährung (28%), das Wohnen (24%) und die Mobilität (12%) verantwortlich. Fokussiert man auf das Klima, so ist der Verkehr mit Abstand der grösste Sünder. Er verursacht in der Schweiz rund 33% der Treibhausgase. Darin ist der internationale Flugverkehr noch nicht eingerechnet.

In den Medien wird regelmässig über (nicht erreichte) Nachhaltigkeitsziele berichtet. Ständig prasseln Informationen auf die Bevölkerung ein. Meistens sind es Zahlen und keine konkreten Handlungsanweisungen für einen nachhaltigeren Lebensstil.

Nachhaltiger Leben oder resignieren?

Weil sich Journalistin Stephanie Hess als Konsumentin oft hilfslos fühlte, hat sie sich entschlossen den Ratgeber «ÖKOlogisch: Fakten, Wissen, Tipps – nachhaltiger konsumieren in der Schweiz» zu schreiben.

Dieser soll ihr selbst und anderen helfen, Antworten auf scheinbar simple Fragen wie «Was ist denn nun nachhaltig?» und «Welcher Verzicht hat die grössten Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima?» zu erhalten.

Stephanie Hess

Stephanie Hess

Journalistin & Buchautorin

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Hess (*1985) ist Journalistin im Reportageteam des Magazins Annabelle und schreibt über Nachhaltigskeitsthemen. Im November 2020 erschien ihr Buch «ÖKOlogisch: Fakten, Wissen, Tipps - nachhaltiger konsumieren in der Schweiz». Das Ratgeberbuch zeigt Fakten auf und soll dazu befähigen, das Konsumverhalten nachhaltiger zu gestalten.

Tipps für ein nachhaltigeres Leben

  • 1. Lebensmittel zu Fuss oder mit dem Velo einkaufen

    Abgesehen vom Flugimport ist der umweltbelastendste Transport von Lebensmitteln jener mit dem Auto vom Supermarkt nach Hause.
    Frau kauft Gemüse mit Fahrrad
    Legende: Colourbox

    Stösst der Wagen pro Kilometer 160 Gramm Kohlendioxid aus (wie viele Wagen der oberen Mittelklasse), ist das ungefähr gleich viel, wie auf ein Kilogramm Obst entfällt, das mit dem Schiff von Argentinien nach Europa transportiert wurde.

  • 2. Weniger Fleisch, mehr Pflanzen

    Nur schon einen Tag auf Fleisch zu verzichten, wirkt sich auf die Umwelt aus.
    Vegane Burger
    Legende: Colourbox

    Würde die ganze Schweiz einen vegetarischen Tag pro Woche einlegen, dann könnte sie gemäss einer ETH-Studie in einem Jahr so viele Treibhausgase einsparen, wie es einer Autofahrt von 3,7 Milliarden Kilometern entspricht, also 90 000 Mal um die Erde.

    Veganerinnen und Veganer verursachen durch ihr Essen 40 Prozent weniger Umweltbelastung als Menschen, die Fleisch und Milchprodukte konsumieren.

  • 3. Foodwaste reduzieren

    In der Schweiz werden jährlich bis zu 330 Kilogramm Nahrungsmittel pro Person weggeschmissen. Diese vermeidbaren Verluste sind für 25 Prozent der Umweltbelastung der Ernährung verantwortlich.
    Foodwaste
    Legende: Colourbox

    Die Schweiz hatte sich 2015 also wie alle anderen UN-Mitglieder verpflichtet, die Verluste entlang der Produktions- und Lieferkette zu reduzieren und sie im Detailhandel, in der Gastronomie und in den Haushalten bis 2030 zu halbieren. Damit würde die gesamte Umweltbelastung der Ernährung in der Schweiz um 10 bis 15 Prozent abnehmen.

  • 4. Kaffee und Wein, lass auch mal sein

    Die Getränke und weitere Genussmittel, zum Beispiel Schokolade, vereinen eine verhältnismässig grosse Umweltbelastung auf sich, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie nicht lebensnotwendig sind.
    Kaffee Tasse
    Legende: Colourbox

    Unser Kaffeekonsum verursacht 10 Prozent der Umweltbelastung durch Ernährung. Berechnungen der Umweltberatungsfirma ESU-Services zeigen, dass wir die ernährungsbedingte Umweltbelastung in der Schweiz um 20 Prozent senken könnten, würden wir alle Genussmittel streichen.

  • 5. Plastik ist nicht das Schlimmste aller Übel

    Die Aufregung um Plastik ist, verglichen mit den wirklich grossen Ökosünden, eigentlich nicht logisch. «Natürlich ist Plastik doof, aber Fleischessen und Fliegen sind einfach viel problematischer.»
    Würste in Plastikverpackung
    Legende: Colourbox

    Verpackungen sind in den letzten Jahren in den Fokus umweltbewusster Konsumentinnen gelangt. Wohl weil sie so sinnbildlich vor Augen führen, wie viel Verschwendung und Abfall in unserem Leben steckt. Der Schein trügt jedoch. Verpackungen machen gemäss Erhebungen von ESU-services lediglich ein Prozent der Umweltbelastung durch Ernährung aus. Fleisch ist also weit umweltschädlicher als die sperrige Plastikverpackung,in der es steckt.

    Im Glauben Gutes zu tun, setze man oft falsche Prioritäten, die fürs Klima irrelevant seien, sagt Christoph Meili. Er ist Experte für Ökobilanzen beim WWF. Wer mit dem Benzin-Auto wenige PET-Flaschen zur Sammelstelle fährt, hätte sich die Fahrt auch sparen können. Unter dem Strich hat sie dem Klima nichts gebracht.

  • 6. Ziehen Sie sich wärmer an

    Rund 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen in der Schweiz entfallen laut dem WWF aufs Heizen.
    Heizung
    Legende: Colourbox

    Optimalerweise installieren Sie natürlich eine klimaverträgliche Heizung und bauen eine gute Wärmedämmung ein. Doch nicht alle haben diese Möglichkeit. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung besitzen keine Wohnfläche, sondern mieten sie.

    Von allen Gebäuden in der Schweiz werden heute noch drei Viertel mit fossilen Brennstoffen beheizt. Mit jedem Grad, das man eine solche Heizung runterdreht, reduziert man CO2-Emmissionen. Pro Grad und Jahr spart man in einem 4-Personen-Haushalt etwa 350 Kilogramm ein. Das ist so viel, wie pro Person während eines Flugs von Basel nach Berlin freigesetzt wird. Oder bei einer Fahrt mit einem Benzinauto über 1700 Kilometer, sagt Hess.

  • 7. Gehen Sie sparsam mit Warmwasser um

    Wasser ist in der Schweiz ausreichend vorhanden. Wasser sparen nützt der Umwelt daher wenig. Es sei denn es handelt sich um warmes Wasser.
    Spülbecken
    Legende: Colourbox

    Wird Wasser mit Erdgas auf 60 Grad erwärmt, belastet es die Umwelt laut WWF 80-mal stärker im Vergleich zum Gebrauch von kaltem Wasser. Bei Heizöl ist die Belastung sogar 100-mal höher.

    Laut Recherchen des Wissenschaftsjournalisten Mathias Plüss gehen in Schweizer Haushalten 13 Prozent der Energie für Warmwasser drauf. Ein Waschgang mit 30 Grad braucht laut Plüss zwei Drittel weniger Strom als einer mit 60 Grad. Achten Sie beim Kauf der Waschmaschine auf das Energielabel.

  • 8. Kleidung bewusst kaufen

    Beherzigen Sie das Motto von Modedesignerin Vivian Westwood: «Buy less, choose well, make it last.» Frei übersetzt: Kaufen Sie weniger Kleidung und wählen sie hochwertige Produkte, die Sie lange begleiten werden. Kaufen Sie wenn möglich Kleidung aus natürlichen und biologisch produzierten Fasern.
    Frau kauft Kleider
    Legende: Colourbox

    Gemäss Greenpeace sind die gesamten CO2-Emissionen für Polyester fast dreimal so hoch wie für Baumwolle. Zudem sondert Polyester beim Waschen Mikroplastik ab. Die Textilindustrie verursacht mehr Klimagas-Ausstoss als alle internationalen Flüge und die Seeschifffahrt zusammen. Sie gehört zu den grössten Verschmutzern von Gewässern. Und viele Arbeiterinnen in der Textilbranche leiden unter schlechten Arbeitsbedingungen und nicht existenzsichernden Löhnen.

  • 9. Kreuzfahrten sind keine Alternative zu Flugreisen

    Zumindest was die Schäden fürs Klima anbelangt. Die Schiffe segeln nicht über den Ozean. Der deutsche Naturbund (NABU) rechnet vor, dass ein Kreuzfahrtschiff pro Tag so viel CO2 ausstösst wie fast 84'000 Durchschnitts-Autofahrer pro Tag und dazu noch vielmehr Stickoxide, Feinstaub und Schwefeldioxid.
    Kreuzfahrtschiff
    Legende: Keystone / Kai-Uwe Knoth

    Bei einer einwöchigen Mittelmeerkreuzfahrt fallen laut dem deutschen Umweltbundesamt pro Person rund 1,9 Tonnen CO2-Äquivalente an, wobei meistens noch die Flüge zur An- und Abreise hinzugerechnet werden müssen. 1,9 Tonnen CO2-Äquivalente pro Person verursacht auch ein Flug aus Deutschland auf die Kanarischen Inseln und zurück. Eine Kreuzfahrt oder ein Ferienflug sind also ähnlich schädlich fürs Klima.

  • 10. Die und der Kluge reist im Zuge

    Der Satz klingt abgedroschen? Aber er gilt nach wie vor. Über 80 Prozent der gewählten Flugdestinationen von Schweizerinnen und Schweizern liegen innerhalb von Europa. Orte, die auch per Zug zu erreichen sind.
    Nachtzug
    Legende: Keystone

    Ein paar Vergleiche zu den Auswirkungen des Fliegens: Ein umweltbewusster Vegetarier, der nur mit dem Velo fährt, verursacht 3,3 Tonnen CO2 pro Jahr. Mit nur je einem Kurz- und Langstreckenflug erhöht sich sein Fussabdruck auf 8 Tonnen. Mit 8 Tonnen kann eine Altbauwohnung für ein Jahr beheizt werden.

    Um die Umweltwirkung eines Fluges von Hamburg nach Madrid aufzuwiegen, müsste ein durchschnittlicher Fleischesser zweieinhalb Jahre auf Geflügelfleisch (160 Kilogramm) oder ein Jahr lang auf Rindfleisch (51 Kilogramm) verzichten.

    2,6 Tonnen CO2-Äquivalente verursacht eine einzelne Passagierin von Zürich nach New York und retour. Das belastet das Klima stärker als ein ganzes Jahr Auto fahren. Und entspricht etwa einer vegetarischen Ernährung von fast zwei Jahren (92 Wochen).

  • 11. Aber Achtung vor dem Reboundeffekt!

    Er beschreibt den unglücklichen Reflex, dass Einsparungen an einer anderen Stelle im System wieder aufgehoben werden. Studien zeigen etwa, dass Autofahrerinnen, die glauben, ein energieeffizientes Auto gekauft zu haben, es öfter nutzen, als andere.
    Flugzeug über Strand
    Legende: Colourbox

    Wichtig ist für Konsumentinnen und Konsumenten: Wer durch nachhaltiges Leben beispielsweise Geld einspart – etwa indem er oder sie kein Auto besitzt – sollte dieses Geld idealerweise nicht in einen Langstreckenflug investieren.

Die Mehrzahl der Tipps in diesem Artikel stammen aus dem Buch «ÖKOlogisch: Fakten, Wissen, Tipps – nachhaltiger konsumieren in der Schweiz». In Absprache mit der Autorin wurden sie leicht angepasst und um weitere Punkte ergänzt.

Radio SRF 1, 24. März 2021, Morgengast, 07:15 Uhr

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