Vor einem Jahrzehnt wurde die Idee hinter Etsy geboren. In einem Loft in Brooklyn. Einer der Mitbegründer wollte damit ursprünglich seine selbst entworfenen Holz-Produkte verkaufen.
Unterdessen ist Etsy zu einem schier unüberschaubaren Basar geworden, auf dem Designer, Schneider, Handwerker und Bastler in ihrem individuellen Schaufenster im Internet ausstellen können. 1,2 Millionen Verkäufer zählt Etsy nach eigenen Angaben heute. 20 Millionen Kunden kaufen mindestens einmal im Jahr dort ein.
Bilderbuch-Börsenstart
Nach eher schwierigen Start-Up-Jahren gelang es den Machern von Etsy, die Umsätze ihrer Verkäufer jährlich über 50 Prozent zu steigern. Letztes Jahr waren es fast 200 Millionen Dollar, für die Waren auf Etsy einen Käufer fanden. Trotz 12 Millionen Dollar Verlust im 2014 liegen nun endlich auch schwarze Zahlen in Reichweite. Das dürfte die Anleger überzeugt haben.
Dass der erste Tag an der New-Yorker Nasdaq-Börse so erfolgreich verlief, hatten der Etsy-CEO Chad Dickerson und sein Team aber wohl kaum zu hoffen gewagt. Die Aktie schloss bei 30 Dollar, das sind 86 Prozent über ihrem Ausgabepreis. Das Unternehmen hat damit einen aktuellen Wert von rund 3 Milliarden Dollar.
Zwischen Markt und Moral
Auf den ersten Blick scheint Etsy ein weiteres Musterbeispiel der New Economy zu sein, dem es wie Airbnb, Uber oder anderen erfolgreichen Startups gelungen ist, die Märkte nach den eigenen Regeln spielen zu lassen. Etsy verbindet Käufer und Kunden von Handgemachtem, Speziellem und Rarem auf der ganzen Welt direkt miteinander und nutzt so die ganze Reichweite des Internet. Es gibt keinen Zwischenhandel, dafür verdient Etsy an jedem verkauften Stück eine kleine Provision.
Doch die Macher von Etsy wollen ihre Plattform nicht nur nach wirtschaftlichen Regeln führen, sondern verfolgen auch ideelle Ziele. Im Jahr 2012 verkündete das Unternehmen auf seinem Firmenblog stolz, dass man die «B Corp» Zertifizierung erlangt habe (siehe Box). Soziale und ökologische Nachhaltigkeit sei ihnen ebenso wichtig wie kommerzieller Erfolg.
Er müsse nicht abwägen zwischen Menschen und Profit, sagte der Etsy-Chef Chad Dickerson dazu in einem Interview.
The success of our business model is based on the success of our sellers. That means we don’t have to make a choice between people and profit.”
Mit seinem Börsengang beginnt das Unternehmen ein neues Kapitel in seiner Geschichte und wird sich künftig mit E-Commerce-Riesen wie Amazon oder Ebay messen müssen. Es dürfte daher spannend sein, wie gut es den Machern gelingen wird, weder ihre ideellen Werte noch die Bedürfnisse der neu gewonnenen Anleger aus den Augen zu verlieren.