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Digital Chinas PC-Markt: Fabeltier erleichtert den Zutritt

Ein Mega-Markt lockt, doch westliche IT-Anbieter haben es schwer in China: Bürokratie, starke lokale Konkurrenz, eine andere Geschäftswelt, Zensurvorgaben. Kurzum: eine andere Kultur. Um trotzdem einzusteigen, sind Kompromisse nötig – etwa beim Betriebssystem.

Wenn ein ausländisches IT-Unternehmen in den chinesischen Markt einsteigen will, ist oft der Weg, mit lokalen Unternehmen zu kooperieren. Gleichzeitig bedeutet das auch, nach chinesischen Regeln zu spielen.

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Wenn der chinesische Staat ein Betriebssystem entwickelt (SRF4)
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Beispiel Skype: Die Shanghaier Firma «Guangming Founder» vertreibt seit 2013 die Microsoft-Software in China. Der frühere Vertreiber, Tom Online, stand zuvor in der Kritik, regierungskritische Stichworte zu zensieren und persönliche Informationen der Nutzerinnen und Nutzer zu speichern.

Alles aus einer Hand

Einen ähnlichen Weg geht auch der Hardware- und Computerhersteller Dell: Mitte September bekräftigte Dell, enger mit chinesischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu kooperieren. Aus chinesischer Sicht dient diese verstärkte Kooperation dem offiziellen «Programm 863» – dem Bestreben Chinas, möglichst unabhängig von ausländischer Technologie zu werden.

In dieselbe Richtung gehen die staatlichen Bemühungen, ein eigenes, chinesisches Betriebssystem zu entwickeln. Denn insbesondere Microsoft Windows ist immer noch überdurchschnittlich – zu 90 Prozent – auf chinesischen Computern vertreten.

Red Flag, Kylin, NeoKylin

Nicht alle Versuche gelangen: «Red Flag Linux» sollte dieser Marktmacht Abhilfe schaffen, ein Betriebssystem, das auf Red Hat Linux basiert. Doch nach 14 Jahren Entwicklungszeit war das Projekt am Ende: Die Chinesische Akademie der Wissenschaften stellte im Jahr 2014 «RedFlag Linux» ein.

Ein weiterer Versuch ist «Kylin», das die chinesische National University of Defense Technology seit 2001 entwickelt – und beinahe identisch mit der Unix-Variante FreeBSD ist. Aus «Kylin» ist mittlerweile «NeoKylin» geworden, das die Firma China Standard Software vertreibt, die wiederum zum staatlichen Unternehmen China Electronics gehört.

Ein Windows XP mit Linux-Unterbau

Ein sagenumwobenes Wesen

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Legende: Wikimedia

Das Logo des Betriebssystems und der Name «Kylin» beziehen sich auf das Qilin, ein chinesisches Fabeltier. Früheste Belege sind im «Zuo Zhuan» zu finden, einem Text aus der Östlichen Zhou-Zeit (770-256 v. Chr.). Die Darstellungen des Qilins variieren. Typisch sind ein Hirschgeweih, Schuppen, Hufe und ein Drachenkopf.

Auf den ersten Blick sieht NeoKylin wie Windows XP aus. Die Bedienung, die Icons, die Benennung der Programme – alles ähnelt der alten Windows-Version. Doch wer in die Tiefen des Betriebssystems geht, wie etwa der Journalist Nikhil Sonnad, stellt rasch fest: Unter der Windows-Oberfläche arbeitet immer noch ein Linux-Betriebssystem, wahrscheinlich eine Variante von Fedora-Linux.

Und was bedeutet das für Unternehmen wie Dell? Im Rahmen der Zusammenarbeit liefert Dell in China seine Laptops und Computer mit NeoKylin aus. Und laut Angaben von NeoKylins Hersteller laufen mittlerweile 42 Prozent von Chinas Dell-Computern mit diesem chinesischen Betriebssystem.

Perspektiven offen

Es ist deshalb anzunehmen, dass «NeoKylin» vor allem auf Regierungs- und Arbeitsplatzcomputern läuft. China Standard Software selber schreibt, dass das die NeoKylin-Variante für Desktopcomputer bereits in zahlreichen Städten und Regionen Chinas eingesetzt wird.

Wie gut das Windows-XP-ähnliche Betriebssystem bei den chinesischen Nutzerinnen und Nutzern ankommt, wird sich zeigen. Denn die Möglichkeiten, Software auf NeoKylin zu installieren, sind stark eingeschränkt. Auch die Auswahl der verfügbaren Programme hält sich in Grenzen.

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