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Digital am Sonntag Digital am Sonntag, Nr. 83: Der Trolljäger

Das Thema dieses Wochenende: In Schweden gibt es eine Fernsehshow, in welcher der Journalist Robert Aschberg Internet-Trolle identifiziert und dann mit ihrem Tun konfrontiert. Die Methoden hinter der Show sind kontrovers.

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Am Wochenende hat man Zeit. Deshalb stellen wir hier jeden Freitag die Artikel zu Digital-Themen zusammen, die wir lesens- und bedenkenswert finden. Setzt euch zu uns in die bequemen Sessel dieser «chambre de réflexion digitale»!

Habt auch ihr einen Tipp? Sagt es uns.

Trolle – Leute, die andere auf dem Internet fertig machen – verstecken sich in der Regel hinter der Anonymität. Die TV-Show «Trolljägarna» will diese Anonymität durchbrechen und die Trolle ans Licht zerren.

So klingelt der Moderator Aschberg bei einem jungen Mann, den er als Urheber monatelanger Verunglimpfungen eines körperlich behinderten Mädchens identifiziert haben will. Er konfrontiert den Mann mit den Beleidigungen, fragt ihn, ob er sie bereue und diskutiert mit ihm. Der Mann streitet alles ab.

Schweden ist nicht nur stark digitalisiert; viele Menschen verbringen einen wesentlichen Teil ihres Alltags online. Sondern Schweden bietet auch gesetzliche Voraussetzungen, die Trollen ihr Tun erleichtern. So wird das Recht auf Redefreiheit sehr hoch gewichtet. Zusätzlich sind viele Informationen offen verfügbar, beispielsweise ID-Nummern, Adressen und versteuertes Einkommen – ein gefundenes Fressen für Trolle.

In einem faszinierenden Porträt beschreibt Adrian Chen für das «MIT Technology Review», wie die Fernseh-Show arbeitet. Hinter dem Moderator Robert Aschberg, der sich auch in früheren Shows als harten Hund inszenierte, steht eine Gruppe von Daten- und Investigativ-Journalisten um Martin Fredriksson, der sich mit dem rechten Rand der schwedischen Politik befasst.

Der Gruppe gelang 2013 ein Coup, indem sie anonyme Kommentierer eines wichtigen Forums der rechten Szene demaskierten. In Zusammenarbeit mit einer grossen schwedischen Tageszeitung wurde eine mehrteilige Titelgeschichte daraus, weil unter den Urhebern rassistischer Kommentare auch Prominente und Politiker der rechts-populistischen Schwedendemokraten waren.

Für die Geschichte erhielt die Gruppe Journalismus-Preise – zog aber auch den Hass der Trolle auf sich. Doch nicht nur aus dem Netz und vom rechten Rand wird die Arbeit von Fredriksson kritisiert. Die Chefin der Piratenpartei beispielsweise beschuldigt sie, Selbstjustiz zu üben.

Um Einzelne identifizieren zu können, häuft Fredriksson in riesigen Datenbanken Millionen von E-Mail-Adressen und Kommentaren an. Ob diese Methoden ethisch sind, wird in Schweden auch jenseits des Links-Rechts-Schemas diskutiert. Denn mit der Jagd auf Trolle begibt sich Fredriksson in viel weniger eng abgesteckte Bereiche wie die rechte Szene. Er speichert viel privaten Beifang von Personen, die sich über Krankheiten oder ihr Liebesleben austauschen. Heiligt der Zweck diese Mittel? Wäre diese Art der Recherche nicht eher Aufgabe des Staates? Was, wenn die Journalisten einen Fehler machen?

Adrian Chen: «The Troll Hunters» (MIT Technology Review)

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