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Games «Rain» macht dich nass

Die Besetzung scheint fast klassisch: ein Junge, ein Mädchen, Monster. Was «Rain» aber daraus macht, ist ungewöhnlich. Wir schiessen nicht mit Pistolen und Raketenwerfern und wir sehen unsere Figur nicht von Abgrund zu Abgrund springen – das heisst: Springen tut sie schon, bloss sehen wir sie nicht…

«Rain» trägt seinen Namen nicht ohne Grund. Der ständige Regen bestimmt ganz entscheidend die Spielmechanik. Denn der kleine Junge, den wir steuern, ist nur zu sehen, wenn er im Regen steht. Dann schimmern seine Umrisse wie eine geisterhafte Hülle. Sucht er Zuflucht im Trockenen, etwa unter einem Vordach, wird er unsichtbar. Ein Monster kann direkt vor seiner Nase stehen, es wird ihn nicht finden.

Spielszene aus «Rain», einmal ohne Regen und ohne sichtbare Gegner, einmal mit Regen und den Umrissen von Monstern.
Legende: Einmal trocken, einmal nass: Auch unsere Monster-Gegner werden erst im Regen sichtbar. In Trockenen (linke Bildhälfte) scheint alles ruhig. Playstation

Dennoch gibt es auch ohne Regen Dinge, die uns Verraten: Unsere Fussabdrücke im Gras etwa, oder Schmutz, der uns an den Schuhen klebt und Spuren hinterlässt. Den Schmutz können wir zwar in einer Pfütze loswerden – aber Vorsicht, die Schritte in der Pfütze können auch die Monster sehen.

Im Herzen ist «Rain» also ein Stealth-Game, ein Spiel, in dem wir uns möglichst unbemerkt am Gegnern vorbei schleichen. Aber wir müssen auch Puzzles lösen, verschlossenen Türen öffnen etwa oder einen Durchgang dort finden, wo ein Monster uns den Weg versperrt. Das tun wir zum Beispiel, indem wir uns kurz sichtbar machen, den Gegner von seinem Platz locken, um dann wieder Schutz im Trockenen zu finden, hoffentlich.

Unterm Giraffenbauch im Trockenen

«Rain» beginnt nicht im ständigen Regen einer immer dunklen Stadt, sondern mit farbenfrohen Aquarell-Bildern und Akkordeonmusik, wie sie aus Pariser Metro-Stationen des frühen 20. Jahrhunderts klingt. Unser Junge macht das Fenster seines Zimmers auf, sieht ein geisterhaftes Mädchen von einem Monster bedroht – und folgt den beiden in eine andere Welt.

Spielszene aus «Rain».
Legende: Regarder mais pas toucher: Der lineare, vorgegebene Spielverlauf verbietet ein eigenes Erkunden der schön gemachten Spiellandschaft. Playstation

Auch das Monster – das Spiel nennt es «The Unknown» – ist im Regen nie ganz zu sehen. Aber was wir erkennen, wirkt unheimlich: Lange, heuschreckenartige Gliedmassen, ein kantiger Kopf und ein grotesk grosser rechter Arm, den das Ungeheuer wie eine Keule hinter sich her schleift. Später kommen andere Monster dazu: Solche die aussehen wie Giraffen etwa, unter deren Bäuchen wir auch Schutz suchen können, gutes Timing vorausgesetzt.

Die Herausforderungen bleiben gleich

Was sich aber kaum ändert sind unsere Aufgaben: Durch die dunkle Stadt springen und klettern und das geheimnisvolle Mädchen vor Monstern beschützen. Das können wir nur, indem wir unsere Gegner ablenken und fort locken – Waffen oder andere Hilfsmittel haben wir allerdings keine. Nach dem ersten Spieldrittel haben wir das Mädchen endlich eingeholt. In Sachen Aufgaben ändert sich aber wenig, ausser dass wir nun gemeinsam mit der computergesteuerten Spielfigur nach einem Ausweg aus der Geisterwelt suchen.

Spielszene aus «Rain».
Legende: Spielfigur ganz klein: «Rain» lässt uns die Kamera nicht selbst kontrollieren. Zoomt sie weit heraus, ist unsere Spielfigur kaum mehr zu sehen. Playstation

Die dabei zu lösenden Rätsel werden zwar anspruchsvoller, sind aber nie eine wirkliche Herausforderung. Unsere Handlungen bleiben schematisch. Selbst das unheimliche Gefühl geht bald verloren, das wir beim ersten Mal noch hatten, als ein Monster dicht an unserer unsichtbaren Spielfigur vorbeiging.

Keine Stimme ist zu hören

«Rain» scheint sich nicht entscheiden zu können, ob es uns als Stealth- und Platform-Game gefallen oder einfach mit schöner Musik und atmosphärischen Bildern entzücken will. Zwei Ansprüche, die sich entgegenstehen. Geht es bloss um Atmosphäre, dann hat man die schon nach einigen Spielminuten aufgenommen und braucht keine acht Kapitel und eben so viele Stunden Spielzeit dazu. Geht es ums Spielen, dann ordnet «Rain» seinen cineastischen Ambitionen zu viel unter.

«Rain» bei YouTube

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Legende: Playstation/YouTube

Der «Rain»-Trailer zeigt nicht nur die düstere Ästhetik des Games, er ist auch von Debussys schöner Klaviermusik unterlegt.

Zum Beispiel, dass die Kamera das ganze Game über vom Computer gesteuert wird und nicht vom Spieler. So wird zwar unser Blick beim Durchstreifen der Stadt auf das Wichtigste gelenkt, aber wenn die Kamera plötzlich herauszoomt, nur um uns ein besonders schönes Tableau zu zeigen, dann macht sie unsere Spielfigur so klein, dass die sich kaum mehr präzise steuern lässt.

Oder dass unsere Figur stumm bleibt, im ganzen Spiel keine Stimme zu hören ist. Um trotzdem seine Handlung zu erklären, greift das Spiel zu Texteinblendern, die kunstvoll auf Mauern, Dächer und Strassen der Spielwelt gelegt werden. Das sieht schön aus – aber nur am Anfang. Bald wirken die Texte plump und die Einblender hemmen den Spielfluss.

Es gibt ein Zuviel an «Clair de lune»

Noch schlimmer: Weil «Rain» seine Geschichte nur auf eine einzige Weise erzählen will, bleibt die Story des Spiels strikt linear. Die Rätsel des Spiels haben immer nur eine mögliche Lösung, es bleibt kaum Platz für Experimente. Und weil wir nicht selber bestimmen, wo unsere Figur hinschaut, ist auch das Erkunden der unheimlichen Stadt auf eigene Faust unmöglich.

Audio
Spielen im Regen (SRF 3)
05:42 min
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 42 Sekunden.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Spielwelt, die «Rain» zeichnet, ist wunderbar melancholisch und bleibt noch im Gedächtnis, wenn das Game längst gemeistert ist. Aber es verhält sich wie mit Claude Debussys Klavierstück «Clair de lune», das in Variationen durchs ganze Spiel tönt: So schön es auch ist, nach einer Weile geht es einem auch auf den Geist.

«Rain» gibt es für Playstation 3. Das Game ist ab 12 Jahren freigegeben.

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