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Games Review: «Pokémon Go»

Es ist eines der wichtigsten Games des Jahres: Scheinbar alle spielen und reden über «Pokémon Go». Obwohl in der Schweiz noch nicht offiziell verfügbar, haben wir dennoch schon fleissig Pokémon gesammelt und können euch den Hype erklären.

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Beitrag auf SRF 3: Das Spielprinzip, der Grund des Erfolgs und der Ursprung der Daten.
07:59 min
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 59 Sekunden.

«Pokémon Go» ist die wohl oberflächlichste Ausgabe dieser unglaublich erfolgreichen Game-Serie. Doch es ist die perfekte Fantasie: Unsere Pokémon leben nicht wie früher in einem Gameboy. Sondern sie leben um uns herum, in der Umgebung, die wir kennen. Dort gehen wir sie suchen, zu Fuss. So streichen wir durch unsere Stadt und sehen sie mit ganz neuen Augen – ein bezauberndes, fesselndes Erlebnis.

«Pokémon Go» spielen wir auf unserem Smartphone. Natürlich geht es auch hier getreu dem Motto der Serie («Catch 'em all!») darum, möglichst alle Pokémon zu finden und einzufangen – den gelben Pikachu, die blaue Schildkröte Schiggy (Squirtle auf Englisch) oder den Vogel Taubsi (Pidgey). Rund 150 solcher «Pocket Monster» sind es aktuell.

In der Stadt auf die Pirsch

Dazu bewegen wir uns physisch. Also nach draussen gehen und auf dem Smartphone auf eine Karte schauen. Pokémon in der Nähe werden uns angezeigt. Mit einer «Wärmer, kälter»-Anzeige können wir erkennen, ob wir auf es zugehen oder uns entfernen. Auf der Karte sehen wir ab und zu etwas im Gras rascheln, was ein mögliches Pokémon-Versteck andeutet.

Sind wir dann nah genug an ein Pokémon herangeschlichen, taucht es auf der Karte auf und wir können versuchen, es einzufangen. Natürlich, indem wir den bekannten rot-weissen Pokéball auf es werfen.

Wie immer in Pokémon-Games können wir unsere Pokémon verstärken – und mit ihnen kämpfen. Hier geht es darum, Territorium in der Stadt zu erobern und zu halten. Auf der Karte verstreut sind sogenannte Arenen («Gyms» in der englischen Version). Beispielsweise gibt es hier bei uns in der Nähe des Radiostudios am Bucheggplatz eine. Diese Arenen können wir entweder erobern oder verteidigen.

Teams erobern und halten Territorium

Dabei sind wir (die «Trainer») einem Team zugeteilt. Ich habe Team Weisheit (blau) gewählt, denn Wagemut (rot) oder Intuition (gelb) geht ja wohl gar nicht. Wenn also die Arena am Bucheggplatz blau ist, gehört sie uns. Ich oder andere Trainer unseres Teams können eines unserer Pokémon in dieser Arena platzieren, die sie dann selbständig verteidigen. Die Trainer der gegnerischen Teams können zum Bucheggplatz spazieren und versuchen, mit ihren Pokémon unsere zu besiegen. Gelingt ihnen das, erobern sie die Arena.

Kartenansicht
Legende: Was kreucht dort? Ist es ein Smogon? Screenshot

Neben den Arenen gibt es ausserdem noch Pokéstops. Dort können wir ebenfalls vorbeispazieren und Gebrauchsgegenstände einsammeln. Beispielsweise Tränke, um unsere kämpfenden Pokémon zu heilen. Oder mehr Pokébälle. Und mit etwas Glück vielleicht auch ein Ei, das wir dann ausbrüten können (indem wir zwei, fünf oder zehn Kilometer spazieren) und so vielleicht an ein besonders seltenes Pokémon gelangen.

Gelddruckmaschine

Während das Spiel gratis ist, kann man diese Gegenstände oder Erweiterungen auch für Geld kaufen. Dazu gehört etwa mehr Platz im Rucksack für mehr Gegenstände oder Pokémon selber. Das ist bereits jetzt eine Gelddruckmaschine: Schätzungsweise 20 Millionen Dollar Umsatz hat das Spiel in der ersten Woche gemacht, aktuell sollen gut eineinhalb Millionen Dollar pro Tag dazu kommen. Und das, obwohl es erst in den USA, Australien, Neuseeland und seit heute auch in Deutschland offiziell verfügbar ist.

Eine Erfolgsgeschichte

Pokémon gibt es seit Mitte der 90er-Jahre. Nach Mario ist es die zweiterfolgreichste Game-Serie überhaupt, mit über 200 Millionen verkauften Exemplaren. Wer also als Kind erstmals Pokémon auf dem Gameboy sammelte und die Zeichentrick-Serie im Fernsehen schaute, ist jetzt um die Dreissig – und wird nun von einer Nostalgie-Welle erfasst.

Die Möglichkeiten des Spiels sind dabei noch gar nicht ausgeschöpft. So ist bereits angekündigt, dass man bald Pokémon nicht nur selber einfangen, sondern auch mit Freunden tauschen kann. Und nicht nur über Arenen gegeneinander kämpfen, sondern auch direkt meine Pokémon gegen die eines Freundes antreten lassen. Beide Features werden die Erfolgswelle weiter rollen lassen.

Blaue Schildkröte und ihr Trainer in der Arena.
Legende: Mein Schiggy bewacht den Bucheggplatz. Screenshot

Durch die Stadt zu streifen, bekannte Orte mit ganz neuen Augen zu sehen und nicht nur virtuelle Pokémon, sondern auch echte Mitspieler zu treffen (ist mir bereits passiert), ist ein aufregendes Erlebnis. Es wirkt so offensichtlich und naheliegend – um so erstaunlicher ist die Entstehungsgeschichte des Spiels.

Vom Aprilscherz zur perfekten Kombination

Denn hinter «Pokémon Go» steht nicht nur Nintendo. Stattdessen hat es Niantic entwickelt, ein Google-Spin-Off. Niantic hatte bereits mit dem Spiel «Ingress» Erfolg, das nach sehr ähnlichem Prinzip wie «Pokémon Go» funktioniert. Auch dort geht es darum, sich in der echten Stadt zu bewegen und Punkte auf der Karte zu erobern. Bei «Ingress» konnten die Spielerinnen und Spieler selber auf der Karte sogenannte Portale erfassen. Also Plätze, Statuen oder Brunnen in ihrer Umgebung in das Spiel bringen, jeweils mit Foto und einer kurzen Beschreibung. Und weil Niantic damals noch bei Google war, konnte man natürlich auch von deren Erfahrung mit Google Maps und Earth profitieren.

Diese Daten nutzt Niantic nun für «Pokémon Go» – deshalb sind auch hierzulande schon unzählige Arenen und Pokéstops im Spiel verfügbar, obwohl es noch nicht offiziell erschienen ist.

Ein knubliges gelbes Rüsseltier auf dem Trottoir.
Legende: Bei mir im Quartier finde ich einen Traumato. Screenshot

Die Pokémon-Lizenz wird von der Pokémon Company gehütet, die teilweise Nintendo gehört. Der Grund für den ersten Kontakt zwischen Niantic und der Pokémon Company war aber ein Aprilscherz, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen: Vor zwei Jahren konnte man am ersten April auf Google Maps plötzlich Pokémon finden.

Dafür brauchte Google die Erlaubnis der Pokémon Company. Danach blieb man in Kontakt; auch, weil der Chef der Pokémon Company ein begeisterter Ingress-Spieler ist, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen. Und so reifte die Idee, dass man Ingress und Pokémon verknüpfen könnte. Für Nintendo war die Idee besonders attraktiv, weil man den Smartphone-Game-Markt verschlafen hatte und dringend eine gute Idee benötigte.

So wurde bald klar, dass «Pokémon Go» eine perfekte Kombination war. Deshalb wurde auch Niantic im letzten Herbst aus Google herausgelöst. Und Google, Nintendo und die Pokémon Company investierten zusammen rund 30 Millionen Dollar in Niantic.

Sommerliebe

Trotz viel Geld und Erfahrung war der Start allerdings alles andere als reibungslos. In den ersten Tagen war das Game zu gewissen Tageszeiten kaum spielbar, die Server überlastet. In der iOS-Version leistete sich Niantic einen groben Anfängerfehler und baute eine gewaltige Sicherheitslücke ein (siehe Kasten rechts). Immerhin ist die bereits behoben. Auch die Server laufen seit ein paar Tagen stabil.

Ob wir auch in drei Monaten noch mit dem gleichen Enthusiasmus «Pokémon Go» spielen wie jetzt, hängt wesentlich davon ab, wie Niantic das Spiel ausbaut. Doch heute geniessen wir einfach unbeschwert diese Sommerliebe.

«Pokémon Go» ist für iOS und Android.

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Es geht, aber kompliziert. Auf Android muss man direkt eine .apk-Datei laden, um den Play Store zu umgehen. Riskant, weil mit Viren verseuchte Versionen im Umlauf sind. Unter iOS führt der Weg über eine Apple-ID in Neuseeland, Anleitung hier. Es ist nicht garantiert, ob der Spielfortschritt dann auf die offizielle Version übertragen werden kann.

Viel zu weit gehende Rechte?

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«Pokémon Go» verbindet sich mit einem Google-Account. Die iOS-Version verlangte dabei viel zu weit gehende Zugriffs-Rechte (z.B. auf Gmail oder Google Docs). Niantic hat aber bereits den Fehler eingestanden und nachgebessert: Die neuste Version verlangt lediglich noch Zugriff auf minimale Account-Informationen wie Name und E-Mail.

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