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Games «Scrolls» ist ein grossartiges Sammelkartenspiel

Von den «Minecraft»-Machern, aber ganz ohne Würfel: Das virtuelle Sammelkartenspiel «Scrolls» glänzt bereits in der Beta-Version mit einem ausgefeilten Spielsystem. Auch das Geschäftsmodell ist fair.

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Der Game-Tipp zu «Scrolls» (SRF 3)
05:41 min
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 41 Sekunden.

Mit «Minecraft» hat Markus «Notch» Persson und sein Studio Mojang einen globalen Superhit gelandet – 20 Millionen mal wurde das Spiel mittlerweile verkauft. Die Einkünfte hat Mojang investiert in den Aufbau eines kleinen, feinen Teams. Und dieses hat nun den nächsten Titel lanciert: «Scrolls». Letzte Woche begann die öffentliche Beta-Phase, getreu der Methode, mit der Mojang auch bei «Minecraft» erfolgreich war.

Man muss Respekt haben vor dem Selbstbewusstsein der Schweden: Statt etwas ähnliches wie «Minecraft» zu machen, wagen sie sich in ein komplett anderes Genre vor. «Scrolls» ist ein Sammelkartenspiel, in der Tradition von «Magic: The Gathering».

Ressourcen aufbauen, Karten ausspielen

Zug um Zug spielen wir eine oder mehrere dieser Karten aus. Sie erstellen Figuren, die den Gegner angreifen, verbessern eigene Figuren, behindern gegnerische, bauen Katapulte oder Befestigungen. Wir spielen entweder gegen den Computer oder online, jeweils im Duell. Links und rechts stehen je fünf «Idols». Unsere eigenen sollen wir schützen, die des Gegners angreifen. Wer zuerst drei gegnerische «Idols» zerstört hat, gewinnt die Partie.

Jede Karte kostet Ressourcen, um sie auszuspielen. Diese Ressourcen bauen wir auf, indem wir Karten nicht ausspielen, sondern opfern. Zu Beginn wird man in jedem Zug eine Karte opfern wollen, um möglichst bald auch teurere, mächtigere Karten spielen zu können. Später in der Partie wird man eher dazu übergehen, eine Karte abzuwerfen, um zwei neue zu erhalten. Hier eine gute Balance zu finden, ist knifflig.

Wachstum oder Ordnung?

Neben der eigentlichen Partie ist natürlich das Meta-Game entscheidend: Das Zusammenstellen eines guten Decks. Ein Deck muss 50 Karten enthalten. Es dürfen auch mehr sein, wodurch man aber lediglich die Chancen mindert, eine bestimmte Karte dann auch im richtigen Moment zu ziehen.

Der Dec Builder.
Legende: Mono Order is how I roll. Screenshot

Es gibt drei Typen von Karten: «Growth», «Energy» und «Order». Sie können nur mit der entsprechenden Ressource ausgespielt werden; wer eine «Order»-Karte spielen möchte, muss genug «Order»-Ressourcen haben. Aus diesem Grund wird man zu Beginn ein Deck auf Karten einer dieser drei Ressourcen beschränken. Doch Kombinationen, etwa aus «Energy» und «Order», sind möglich – Tüftler erhalten hier sehr viele Möglichkeiten.

«Growth» besteht thematisch aus Wölfen, Waldläufern und Schamanen. Es ist ein aggressives Deck mit vielen billigen Figuren, die schnell ausgespielt werden können. Sie verstärken sich gegenseitig, sind am wirkungsvollsten besonders in der Masse. Es geht darum, den Gegner zu überrennen.

«Energy» stellt der Natur Mechanik und Explosionen gegenüber. Es gibt Kanonen und Katapulte und explodierende Schildkröten-Roboter. Viele Figuren greifen aus der Distanz an und können mehrere gegnerische Einheiten treffen. Mit Barrikaden lässt sich «Energy» eher defensiv spielen; es braucht seine Zeit, sich zu entfalten und das schwere Geschütz in Stellung zu bringen.

Und schliesslich legt «Order» den Fokus auf Soldaten, die am wirksamsten in einer militärischen Formation sind. Mehrere Karten ermöglichen überraschendes Umpositionieren oder gegenseitiges Verstärken der Figuren. «Order» ist ein Mittelweg zwischen Angriff und Verteidigung. Wer seine Einheiten geschickt bewegt, ist damit erfolgreich.

In Bewegung bleiben!

Diese Bewegung ist eine Spezialität von «Scrolls». Das Gerne der Sammelkartenspiele ist ja ziemlich überbevölkert – um sich von der Konkurrenz abzuheben, musste sich «Scrolls» etwas einfallen lassen. So spielen wir Figuren nicht einfach aus, sondern setzen sie auf ein Spielfeld, fünf Reihen mit jeweils je drei Feldern auf jeder Seite. Wir können unsere Figuren beim Ausspielen der Karte auf ein freies unserer Felder setzen; und jede Figur in jedem Zug auf ein angrenzendes freies Feld bewegen.

Diese Bewegungen sind entscheidend. Wir können den Gegner ins Leere laufen lassen oder eine eben ausgespielte gegnerische Figur gleich wieder wegputzen. Wir versuchen, unsere Figuren eng zu gruppieren und nicht über das ganze Spielfeld zu verzetteln. Schliesslich reicht es, drei «Idols» verteidigen, und im Pulk sind die Figuren meist stärker als allein. Die Mitte des Spielfelds gewährt am meisten Bewegungsfreiheit – deshalb ist der Kampf um die mittlere Reihe oft der entscheidende.

Mega Hard

Die Regeln des Spiels sind simpel, doch eine gute Strategie zu lernen, braucht Übung. «Scrolls» hilft dabei mit «Trials»: verschiedene Spielszenarien, gegen den Computer; vergleichbar mit einem Schachproblem. Mit Hilfe dieser «Trials» lernen wir grundlegende Strategien und die Eigenheiten unseres Decks. Es gibt sie in «Easy», «Medium» und «Hard»; und «Hard» ist dabei eher untertrieben. Wer sich auch an «Mega Ogre» die Zähne ausbeisst, weiss, wovon ich spreche.

Gewinnt man eine Partie, erhält man Gold und kann sich damit neue «Karten» kaufen; dazu gleich mehr. Hat man zumindest die einfachen «Trials» gemeistert, ist man gerüstet, online gegen andere Spieler anzutreten. In «Ranked Matches» kann man seine Position auf der Rangliste verbessern – ich habe zu jeder Tages- und Nachtzeit schnell einen Gegner gefunden. Das Rating funktioniert nach dem auch aus Schach oder Go bekannten Elo-Wertungssystem. Entscheidend sind gewonnene Partien und Stärke der geschlagenen Gegner; die Anzahl der gespielten Partien ist irrelevant. Dadurch sind Leute mit viel Zeit nur insofern im Vorteil, dass sie mehr trainieren können.

Karten tauschen

Nicht nur messen können wir uns mit anderen Spielern, sondern auch unsere Karten tauschen – die virtuelle Version dessen, was bei jedem Sammelkartenspiel eine zentrale Rolle einnimmt. Wenn wir das Spiel kaufen, wählen wir eine der drei Ressourcen und erhalten dann ein Starter-Deck aus 50 Karten. Für jedes gewonnene Spiel erhalten wir Gold (g); mit diesem Gold können wir neue Karten kaufen.

Das Trading-System.
Legende: Es wird hart verhandelt. Screenshot

Hier bildet das Spiel die Mechanik aller Sammelkartenspiele ab: Wir können eine einzelne zufällige Karte einer bestimmten Ressource kaufen oder ein Set mit gemischten Karten. Karten sind unterschiedlich selten: Es gibt sie in «Common», «Uncommon» und «Rare». Je seltener, desto kleiner ist die Chance, eine zu erhalten. Und deshalb werden schon bald Karten darunter sein, die wir gar nicht wollen. Die können wir entweder gleich zurückverkaufen; allerdings zu einem schlechten Preis. Oder eben besser mit anderen Spielern handeln.

Dazu treten wir im Spiel einem Chat-Channel bei. Dort ist meist ein wilder Bazar im Gange; mit dem Jargon «WTS» (Verkaufen), «WTB» (Kaufen) oder «WTT» (Tauschen) machen alle ihre Angebote. Sieht etwas interessant aus, wählen wir die Person aus und schicken ihr eine «Trade»-Anfrage. Dort können wir dann Karten und Gold hin- und herschieben und privat verhandeln.

Mit Guido tauschen?

Box aufklappen Box zuklappen

Wollt ihr mit mir handeln, könnt ihr ja probieren, ob ich grade in «hilariostradingpost» online bin.

Im Moment gehen «Common»-Karten selten für mehr als 50g. «Uncommon» kosten um die 100g, die begehrteren auch mal drüber. Dass schon viele Karten im Umlauf sind, zeigt sich an einem Preiszerfall: Während «Rares» vor einer Woche ab und zu noch für 2000g feilgeboten wurden, sind heute die meisten zwischen 500g und 1000g zu haben.

Da in den Trading-Chats alle wild durcheinander brüllen, braucht es ziemlich Geduld, einen Tauschpartner zu finden. Unter Freunden zu tauschen, ist wohl einfacher.

Gold und Geld

Dass man die virtuellen Karten allein mit Spielwährung (Gold) kaufen und frei tauschen kann, setzt «Scrolls» von anderen virtuellen Sammelkartenspielen ab. Es bedeutet, dass wir jede Karte, die wir nicht wollen, auch irgendwie loswerden – statt auf einer Kiste voll unnützer Magic-Karten sitzen zu bleiben. Und es bedeutet auch, dass wir lediglich Zeit investieren müssen, um an Spielwährung zu gelangen. Echtes Geld ausgeben ist nach dem Kauf des Spiels nicht mehr notwendig.

Der Karten-Shop.
Legende: Ein guter Kauf: Einheiten auswechseln ist für Soldaten gäbig. Screenshot

Neben Gold gibt es allerdings eine zweite Währung, die «Shards». Die können für echtes Geld gekauft werden (600 Shards für €4, 2900 für €16). Diese Shards haben allerdings keinen direkten Einfluss auf die Spiel-Ökonomie. Sie sind in erster Linie dazu da, unseren Avatar zu personalisieren, also rein kosmetisch. Zwar erhalten wir alle sechs Tage sechs zufällige Karten angeboten, (wir sehen sie im Gegensatz zum normalen Kauf schon, bevor wir sie kaufen), und die können wir sowohl mit Gold als auch mit Shards kaufen. Das bedeutet, dass man pro Woche maximal 410 Shards für Karten ausgeben kann. Es gibt auch keine Möglichkeit, Shards direkt in Gold umzutauschen. Wenn man die mit Shards gekauften Karten an andere Spieler verkauft, wird man wohl höchstens um die 1500g lösen. Da man für die Handelei viel Zeit einsetzen muss, spielt man besser Partien, um in der gleichen Zeit zu mehr Gold zu kommen.

Auch wenn die Ankündigung der Shards ein paar Forumsschreier verleitet hat, in Grossbuchstaben Ausverkauf zu unterstellen, muss man Mojang zugestehen, dass das Shard-System fair ausgestaltet ist. Die beiden Spielwährungen sind sauber getrennt; niemand kann sich einfach ein starkes Deck zusammenkaufen – sogar im Gegensatz zu echten Sammelkartenspielen, wo auf Börsen meist jede Karte für Geld erhältlich ist.

Das ist eine Beta!?

Nicht nur das Geschäftsmodell von «Scrolls» ist durchdacht. Auch das Spielsystem hat mich gefesselt. Die rund zweihundert Karten sind für eine Beta-Version bereits erstaunlich gut ausbalanciert. Die verschiedenen Fraktionen fördern gut sichtbar unterschiedliche Spielsysteme. Das Meta-Game ist hochspannend, da nicht nur innerhalb einer Fraktion sehr unterschiedlich ausgerichtete Decks möglich sind, sondern weil Fortgeschrittene auch versuchen können, die Stärken zweier Fraktionen zu kombinieren.

Und schliesslich ist die Community bereits reif – man findet einige sehr gute Anleitungen und Einführungen von den besten «Scrolls»-Spielern, die schon seit der Alpha-Version dabei sind. Die Stimmung ist mehrheitlich freundlich, geradezu familiär.

Wie «Minecraft» zuvor wird auch «Scrolls» ab jetzt nur noch besser. Doch selbst im aktuellen Zustand kann ich es wärmstens empfehlen.

«Scrolls» ist für Mac und PC, zum Download direkt bei Mojang. Das Haikiew ist hier.

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