Wer kennt Tobi Gmür? Keinem anderen Schweizer Musiker wünsche ich mehr, dass er einmal einen ganz grossen kommerziellen Hit landet, wie Tobi Gmür. Gleichzeitig glaube ich zu wissen, dass dies nie passieren wird. Dabei hätte er fast alles, was es dazu braucht.
Wer ist Tobi Gmür?
Gmür hatte schon als Teenager eine Band. Genau wie ich. Aber an die Konzerte von seiner Band kamen Leute. Sie hiess Mothers Pride, diese Band. Und dieser Tobi Gmür war irgendwie anders. Anders als andere von anderen Bands.
Tobi Gmür, der Rockstar
Wie Tobi Gmür Anfang 90er mit seiner roten Fender Telecaster in der Aula der Kantonsschule Alpenquai über die Bühne flitzte, als ginge es um Leben und Tod, beeindruckte mich. Wie er im Stadtkeller Luzern von der Bühne aus über die gedeckten Tische stolperte, war ... irgendwie Rock’n’Roll.
Nebst der überzeugenden Attitüde, schrieb er mit der Zeit Songs, welche es mit grossen Britpop-Hits aufnehmen konnten. Der aus meiner Sicht verdiente Erfolg blieb aber aus.
Tobi Gmür, der Musiker und Freund
Viele Jahre später spielte dieser Tobi Gmür Gitarre in meiner Band. Natürlich war es dann um meine journalistische Distanz geschehen. Ich lernte den Menschen hinter diesen Songs kennen. Ich traf auf ein riesiges Herz, das musikalisch wie menschlich viel in die Band einbrachte.
Ebenso lernte ich einen Musiker und Menschen kennen, der das Gegenteil eines funktionierenden Uhrwerks ist. Zu dieser Zeit hätte ich ihn gelegentlich als Unzuverlässigkeit in Person verwünschen können. Glücklicherweise gelang es mir, ihn als das wahrzunehmen, was er ist: Tobi Gmür.
Tobi Gmür, der Kämpfer
Tobi Gmür hat in seinem Leben viele Kämpfe ausgetragen. In Sachen Neustarts kennt er sich aus. Auf Baustellen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, sowieso. Er kann Dinge aufbauen – aber auch abreissen.
Was Tobi Gmür schlecht kann, ist sich verbiegen. Das zeichnet ihn aus. Macht ihm aber auch das Leben schwer. Seine Karriere gleicht daher eher einem steilen, extrem rutschigen Berghang, als einer Treppe oder Leiter.
Tobi Gmür, der Loser
Tobi Gmür ist keiner der aufgibt, wenn er keine Lust oder Kraft mehr hat. Wird ihm etwas zu blöd, ist aber Ende Feuer. Zumindest für den Moment. Ehrenhafter kann man eine Menschenseele eigentlich kaum ausstatten.
Gmür verwaltet weder sein Leben noch sein musikalisches Schaffen. Irgendwie steht er immer kurz vor dem Durchbruch und knapp neben dem Abbruch. Daher fehlt Tobi bis heute ein wirklich dichter Rucksack, in welchem er sein musikalisches Talent sicher transportieren und ins Trockene bringen kann.
Tobi, der Gmür
Was ich an Tobi Gmür besonders schätze ist seine Aufrichtigkeit. Nicht, dass Gmür nie lügen würde. Herrgott nein. Ein Engelchen ist der Gmür nicht. Aber ein Engel. Ein überaus höflicher Mensch mit einem höchst ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Keine besonders guten Eigenschaften, um sich im Haifischbecken des Musikbusiness zu behaupten.
Überaus gute Eigenschaften aber, um Songs zu schreiben. Oder besser, um Songs schreiben zu müssen. Es sind nicht einfach Songs, die das Leben geschrieben hat. Tobi Gmür hackt sein Leben förmlich in die Zeilen seiner Songs herein. Dabei steht die Philosophie weit über der Poesie, wenn er seine Kernthemen Fussball, Liebe und Grenzgängertum beackert.
Tobi! Gmür!
Nach «Sincerely, T. Gmür» (2015) und «Winterthur» (2016), erscheint am 2. November mit «Bern» Tobi Gmürs drittes Mundart-Album. Es ist nicht rein. Aber ehrlich. Schonungslos ehrlich.
Ein richtig grosser kommerzieller Hit ist da nicht drauf. Dafür aber ein paar richtig grosse Tobi Gmürs.