Das Leben ist schwieriger, wenn man nicht mit dem Strom schwimmt. Das muss Aya (17) schon früh am eigenen Leib erfahren. Die Tochter eines Libanesen und einer Schweizerin zieht mit ihren Eltern im Kindergartenalter in den Libanon. «Das war eine schwere Zeit für mich», meint die junge Schülerin. Ihre Gspänli sehen sie schnell als «andersartig» an, da sie, wie sie selbst sagt, ein Mischling ist. Heute geht sie davon aus, dass Eifersucht auf ihren Lebensstandard eine Rolle gespielt haben muss. «Im Gegensatz zu den anderen Kindern hatte ich damals schon viel von der Welt gesehen. Ich konnte dank meinem Schweizer Pass einfacher verreisen als meine Mitschüler»
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Was zu Beginn vor allem Worte waren, entwickelt sich immer mehr zu physischer Gewalt. Ein Stossen hier, ein gestelltes Bein da – es ist für Aya ein täglicher Spiessrutenlauf. Mit der Zeit wird es gar so schlimm, dass Aya mutwillig die Treppen heruntergestossen wird.
Die Kinder fügten mir mutwillig Schmerzen zu
«Als ich am Ende der Treppe lag, sagten sie mir, dass es nicht mit Absicht passiert sei. Doch sie lachten hämisch dabei. Das tat weh.» Auf die Bemühungen ihrer Eltern etwas an der Situation zu ändern, reagiert die Schule nicht. Die Vorkommnisse werden heruntergespielt: So schlimm sei das alles nicht. Kinder seien nun mal so.
Nur eine Routinekontrolle
Doch Ayas Belastungen sind nicht nur psychischer Natur. In jungen Jahren wird bei ihr Skoliose diagnostiziert. Die starke Wirbelsäulenverkrümmung wird jedoch dank Physiotherapie und Einlagen schnell angemessen therapiert. Im Jahr 2010 folgt der Schock: Bei einer Routinekontrolle, wie sie im Libanon üblich ist, wird bei Aya Tuberkulose, eine Infektionskrankheit, die oft auf die Lunge schlägt, diagnostiziert. Ihr werden für sechs Monate Antibiotika verschrieben, um den Ausbruch der Krankheit zu verhindern.
Der Behandlungsbeginn scheint problemlos. Doch nach drei Monaten entwickeln sich Schlafstörungen mit daraus resultierender starker Müdigkeit. Später beginnt das Antibiotikum ihre Darmflora anzugreifen. Erst eine Naturheilärztin kann der Zürcherin mit einer Darmsanierung helfen.
Für kurze Zeit geht es ihr besser, doch die Mobbingprobleme sind noch immer allgegenwärtig. Auch die chronischen Schmerzen nehmen immer mehr zu. Obwohl Aya stark darunter leidet, lässt sie ihre Eltern über die Vorkommnisse an der Schule im Dunkeln. Sie fühlt sich unverstanden und scheint den Halt zu verlieren.
Neuanfang in der Schweiz?
Ihre Eltern entscheiden sich, in die Schweiz zurückzukehren. Dort beginnt für Aya erneut eine Odyssee. Fehldiagnosen häufen sich und ein bitterer Nachgeschmack bleibt. «Die Ärzte bezeichneten mich als Simulantin», erzählt die heute 17-Jährige. Laut ärztlichen Aussagen sei es gar nicht möglich, dass sie Fibromyalgie habe. Das wäre eine «Alte-Menschen-Krankheit».
Auch in der Schule findet Aya nur schwer den Anschluss. «Mir war es nicht möglich, mit diesen Schmerzen meine schulische Leistung abzurufen.» Die Situation belastet sie sehr. Wiederkehrende Suizidgedanken treten auf. «Ich habe gesehen, wie andere in meinem Alter die Selbstständigkeit erlangen. Daneben kam ich mir wie eine Last vor. Vor allem für meine Familie.»
Nach etlichen weiteren Abklärungen ist schliesslich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Ein Spezialist aus Deutschland nimmt sich Ayas Leiden an und diagnostiziert ihr das, was sie schon lange vermutet hat, aber noch nicht benennen konnte: Fibromyalgie.
Endlich glaubten sie mir
Die Erleichterung ist gross: «Endlich wusste ich, was ich habe. Das war wie eine Erlösung für mich.» Mittlerweile wird sie auch von den Ärzten in der Schweiz, die ihre Krankheit in Frage stellten, ernst genommen und erhält eine entsprechende Behandlung.
Aya hat aus dieser schwierigen Zeit sehr viel mitgenommen. «Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, über seine Probleme und Schwächen zu reden. Denn Schwäche zeigen ist in meinen Augen eine Stärke.»