Ich bin kein Opfer mehr – missbraucht im Namen Gottes
- Donnerstag, 24. April 2014, 20:05 Uhr
«Ich glaubte, ich helfe meinem Vater die Bibel zu übersetzen, wenn ich mich nicht wehre und schweige», sagt Christina Krüsi. Sie ist im Urwald von Bolivien in paradiesischer Umgebung aufgewachsen. Als sie sechs Jahre alt war, missbrauchten sie Missionare während mehrerer Jahre aufs Schlimmste.
Ein Film von Andrea Pfalzgraf
«Niemand hat etwas bemerkt.» Das sagt die Lehrerin von Christina Krüsi, das sagen ihre Eltern und auch andere, die auf der Missionsstation lebten. «Die Täter waren offenbar gut organisiert und sehr pervers», sagt Hannes Wiesmann, Direktor von Wycliffe Schweiz. Diese Organisation hat zusammen mit der amerikanischen Gesellschaft SIL die Eltern von Christina Krüsi nach Bolivien geschickt. Aber auch die offensichtlich pädophilen Täter wurden von Wyclilffe/SIL ausgewählt. Ihre Mission im Urwald war, die Bibel für die Indianer zu übersetzen. Dass ihr Kind systematisch sexuell missbraucht wurde, glauben die Eltern von Christina Krüsi inzwischen. Auch die Täter sind ihnen bekannt. Aber sie wurden nie vor Gericht gestellt. «Das ist Sache der Organisation Wycliffe und SIL, da können wir nichts machen», sagen die Eltern heute. Inzwischen sind die Taten verjährt und die meisten der Täter gestorben. Zur Rechenschaft gezogen wurden sie nie.
Die Opfer leiden bis heute an den schlimmen Verletzungen ihrer Kindheit. Viele von ihnen sind psychisch krank und haben ihren Platz im Leben nie richtig gefunden. Christina Krüsi litt auch lange und schwieg aus Angst, dass man ihr nicht glauben könnte. Erst mit Mitte Dreissig konnte sie endlich darüber reden, was ihr in frühester Kindheit angetan worden war. Und sie stellte fest, sie war nicht die einzige damals. Es begann ein langer Weg, bis sie es endlich schaffte, sich aus der Opferrolle zu befreien. Geholfen haben ihr ihre Freundin Gudrun, ihre Söhne und ihr heutiger Lebenspartner. Ein wichtiges Mosaiksteinchen in ihrem Heilungsprozess ist eine Reise nach Bolivien, an den Ort der schrecklichen Erlebnisse. Lange hat sie gezögert, jetzt hat sie den Schritt gewagt und stellt sich den Gespenstern ihrer Kindheit. Und sie trifft einen Spielkameraden aus Tumi Chucua. Auch er hat grässliche Dinge erlebt. Ein Film über eine starke Frau, die nicht zerbrochen ist, obwohl ihr im Namen Gottes Fürchterliches angetan wurde.
33 Kommentare
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Hätte gerne mehr Differenzierung gewünscht, was Satanisten mit okkulten Praktiken -wie im Film und im Buch beschrieben - mit Missionaren gemeinsam haben ? Dass das, was Frau Krüsi erlebte, mit zum Schrecklisten gehört, ist selbstredend. Ein fahler Nachgeschmack bleibt. Mit dem medialen Rundumschlag herrscht nun ein nicht wieder gutzumachender Generalverdacht gegen alle, die a) Christen sind b) missionarisch tätig sind und c) damals in Tumi und Ribi lebten.
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Vielen Dank, Frau Krüsi, Sie sind für sich und für tausende anderer Opfer von sexuellem Missbrauch unter dem Deckmantel der Religion einen steinigen und starken Weg gegangen. Alles, alles Gute Ihnen und viel Freude im Hier und Jetzt wünsche ich Ihnen von Herzen.
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Wolfgang Jung, Neunkirchen
Sonntag, 27.04.2014, 18:26Die sachlichen Kommentare in allen Ehren. Was Frau Krüsi u. unzählige anderen Frauen (und Kindern beiderlei Geschlechts) erlebt habe, ist zum Kotzen u. verdient härtere Verfolgung u. Bestrafung, als es unsre Gesetzgebung momentan hergibt. Was viele Kommentare ins Abseits der Unsachlichkeit schiebt sind die Angriffe auf Glauben und Gott. Wer kritisiert Politik, Sport oder Kunst als solche, weil ihre Vertreter Scheiße bauen? Verurteilt die Täter und lasst Gott und den Glauben von der Anklagebank!