Das Ritual wiederholt sich regelmässig: An den grossen Modeschauen zeigt die Branche ihre neusten Kreationen. Luxusmode ist ein Markt, auf dem jährlich Milliarden umgesetzt werden.
Eine wichtige Stütze dieses Geschäfts sind Accessoires und Schuhe. Hermès, Yves St-Laurent und Gucci beispielsweise erwirtschaften über die Hälfte ihres Umsatzes mit Lederwaren. In der Welt der Luxusmode bedeutet Leder Rekordeinnahmen.
Miserable Bedingungen in italienischen Gerbereien
Ein Grossteil des Leders wird in Italien gegerbt, vor allem in der Toscana. Dort arbeiten über 7000 Menschen in der Lederindustrie.
In der Gegend um die Gemeinde Santa Croce sull’Arno zeigt die Toscana ein anderes Gesicht. Abseits der hochstehenden italienischen Kultur geht es um teilweise miserable Arbeitsbedingungen und Ausbeutung. Alles für die Luxusmode-Industrie.
Dies zeigt eine aufwändige Recherche des französischen Recherchenetzwerks «Premières Lignes». Nach 700 telefonischen Anfragen öffnet eine Ledergerberei schliesslich ihre Fabriktore: Termoplak. Die meisten Arbeiter stammen aus dem Senegal.
«Die Senegalesen haben einen ähnlichen Charakter wie wir», sagt Alfonso Guerra, Chef Termoplak, «sie arbeiten gerne, sie trinken und rauchen nicht. Sie arbeiten.»
Und die Arbeit ist hart. Die Tierhäute sind schwer und müssen für diverse Arbeitsschritte herumgetragen werden. In der Fabrik kann es bis zu 45 Grad heiss werden. Die Tierhäute sind mit chemischen Substanzen getränkt.
Laut Gewerkschaften sind ein Drittel der Arbeiter nicht fest, sondern nur als Aushilfen angestellt – manchmal jedoch bis zu einem Jahr lang. Arbeitszeiten von 13 Stunden werden genannt. Ein Arbeiter erzählt, wie er bei einem Unfall drei Finger teilweise verloren hat. Andere ehemalige Angestellte berichten von Gewalt, als sie ihren Lohn abholen wollten. Sie seien vom Chef der Firma Termoplak und dessem Sohn zusammen geschlagen worden. Die Arbeiter haben Anzeige erstattet, passiert sei nichts.
Die Probleme in den italienischen Gerbereien sind bekannt – spätestens seitdem der Menschenrechtsaktivist Francesco Gesualdi einen aufsehenerregenden Bericht darüber verfasst hat.
Hohe Unfallzahlen bei ausländischen Arbeitern
«A tough story of leather» wurde von der EU mitfinanziert. Gemäss dem Bericht erleiden in den italienischen Gerbereien ausländische Arbeiter doppelt so oft Unfälle wie einheimische Angestellte. Doch der Bericht stiess in der Lederbranche auf starken Widerstand. Was ist das Problem?
Der Chef des Verbandes Cotance, Gustavo Gonzales wird mehrmals schriftlich um ein Interview gebeten. Er will keine Stellung nehmen.Das Rechercheteam möchte ihm dennoch die Möglichkeit geben, seine Position darzulegen und besucht ihn.
Die Begegnung verläuft eigenartig: Zuerst will er die Fragen nicht verstanden haben, dann tut er den Bericht als «fake news» ab.
Pelzproduktion im chinesischen Daying
Bei den Pelzen sieht es nicht viel besser aus. Einer der grössten Produzenten von Pelzen ist China. Vor allem in Daying, ein paar hundert Kilometer südlich von Peking, dreht sich alles um Pelz.
Daying hat 100'000 Einwohner – eine Kleinstadt für chinesische Verhältnisse. Doch hier sind 10'000 Firmen angesiedelt, die alle mit Pelz zu tun haben. In den Einkaufszentren kann man die Endprodukte bestaunen: Edle Kleidungsstücke und Accessoires von edlen Marken aus seidenweichen Pelzen. Zum Beispiel eine Kaninchenfelljacke von Max Mara. Zur Herkunft des Pelzes gibt es in den Geschäften unterschiedliche Auskünfte. Einmal soll der Pelz aus Italien kommen, dann aus Dänemark. China als Herkunftsland wird nicht genannt.
Ständiger Verwesungsgestank
Nach hartnäckigem Nachfragen gelingt es dem Filmteam, die grösste Gerberei von China zu besuchen. Zehntausende Tiere werden hier jeden Tag zu Pelz verarbeitet: Waschbären, Kaninchen. Die Arbeiter machen vieles von Hand. Es ist eine schmutzige Arbeit und in der Luft liegt ein ständiger Verwesungsgestank. Hier werden auch die Kaninchenfelle verarbeitet, die für die Max Mara Jacke benötigt werden.
Die Tiere stammen wiederum aus chinesischen Aufzuchtbetrieben, Gesetze über Tierschutz gibt es nicht. Entsprechend werden die Kaninchen gehalten. In kleine Käfige gepfercht fristen sie ein trauriges Dasein bis zum Tag der Schlachtung. Beim Aufhängen werden den Tieren oft die Beine gebrochen. Kurz darauf sind sie tot und gehäutet.
Aufgrund der komplexe Lieferkette sind keine konkreten Informationen zum Thema einzuholen.
Warum lässt Max Mara zu, dass die erwähnte Kaninchenfelljacke und anderes derart produziert wird, will das Team vom Konzern wissen.
Die Antwort kommt schriftlich: «Aufgrund der komplexen Lieferkette (..) ist unsere Gruppe nicht in der Lage, konkrete Informationen zu ihrem Thema einzuholen.»
Dass Billigmode oft unter fragwürdigen bis lebensgefährlichen Bedingungen produziert wird, das wurde wiederholt thematisiert und kritisiert. Die Annahme, dass Luxusmode auch bessere Produktionsbedingungen bedeutet, ist nach dieser Recherche mehr als fraglich.