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Auf 1000 Knaben zwischen 0 und 6 Jahren kamen letztes Jahr nur 914 Mädchen.
Keystone
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Mädchen unerwünscht

Indien - der tödlichste Platz der Welt für Mädchen. So bezeichnete die UNO vor Kurzem das Milliardenland. Laut einer neuen UNO-Studie ist die Gefahr zu sterben für 0 bis 5jährige Mädchen 75% höher als für die gleichaltrigen Knaben.

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In Indien haben Kindstötungen und Abtreibungen Tradition. Heute treiben sowohl ärmere Familien auf dem Land ihre Töchter ab, als auch wohlhabende Eltern in den Städten - Schätzungen sprechen von 50‘000 abgetriebener weiblicher Föten pro Monat. Auch die aktuellste Volkszählung Indiens belegt dies: auf 1000 Knaben zwischen 0 und 6 Jahren kamen letztes Jahr nur 914 Mädchen, das schlechteste Geschlechterverhältnis seit der Unabhängigkeit Indiens 1947.

«Indien ist eine sehr patriarchale Gesellschaft», sagt die indische Professorin Shalini Randeria, die seit Jahren in der Schweiz lehrt. Zwar helfen die Mädchen im Haushalt bis zu ihrer Heirat, aber Geld bringen die männlichen Familienmitglieder. Mädchen hingegen kosten, spätestens dann, wenn sie verheiratet werden sollen: Denn obwohl die Mitgift verboten ist, zahlen Eltern für ihre Töchter eine Mitgift zum Teil in der Höhe eines Jahreslohnes. Kommt dazu, dass die Mädchen nach der Heirat ihr Elternhaus verlassen und zur Familie des Mannes ziehen.

Zudem wird auch in Indien die Zwei-Kind-Familie immer populärer und somit der Wunsch nach einem Sohn immer grösser - spätestens beim 2. Kind. Zwar ist das Bestimmen des Geschlechts der Föten seit 1994 verboten, doch Ultraschallkliniken schiessen wie Pilze aus dem Boden und mit leichten Ultraschallgeräten, die man ins Auto packen kann, kommt man in den hintersten Winkel des grossen Landes. «Die Ärzte und das medizinische Personal in Indien profitiert davon und auch für die Industrie ist es ein gutes Geschäft», meint Sabu George, ein Aktivist in Neu Delhi, der sich seit über 20 Jahren gegen die Abtreibungen einsetzt.

Diesen Wunsch nach einem Sohn bekam auch Mitu Khurana zu spüren, als sie vor gut sieben Jahren mit Zwillingen schwanger wurde. Schnell kam die Diskussion rund um das Geschlecht der Kinder auf - nicht bei ihr, sondern bei ihrem Mann und seiner Familie, mit der sie ganz nach indischer Tradition, zusammen wohnten. Nur mittels eines Tricks gelang es ihrem Mann und seiner Familie, das Geschlecht zu bestimmen: zwei Mädchen. Diese sollten nicht zur Welt kommen, wäre es nach dem Willen ihres Mannes gegangen, der fortan versuchte, seine Frau zu töten oder eine Fehlgeburt auszulösen, was ihm auch halbwegs gelang: Die Kinder kamen viel zu früh zur Welt. Doch sie und ihre Mutter überlebten.

Zurück zu ihrem Mann wollte die junge Mutter jedoch nicht mehr, denn dieser zeigte kein Interesse an seinen Töchtern. Mitu Khurana zeigte daraufhin ihren Mann an. «Die Polizei und die Politiker aber machen mich zur Schuldigen, nicht meinen Mann. Ich soll ihm doch einfach einen Sohn schenken, sagten mir die Polizisten, die mich schützen sollten», erzählt Mitu Khurana. Für sie tragen v.a. die Politiker und Behörden die Verantwortung für die Abtreibungen weiblicher Föten, denn sie setzten das Gesetz nicht um.

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