Zusammengehalten wird der Bogen des Konzerts von den unterschwelligen Bezügen zur Literatur der Romantik. Eines der letzten Lieder von Franz Liszt enstatnd über einen Text des österrichisch-ungarischen Dichters des Biedermeier, Nikolaus Lenau. Und von Lenau gibt es auch eine radikal agnostische Faust-Dichtung, einen Gegenentwurf zu Goethes epochalem Drama. Dazu passt es natürlich, dass Holliger selbst dem Dichter Lenau seine jüngste Oper «Lunea» gewidmet hat, die kürzlich in Zürich uraufgeführt wurde.
Robert Schumann seinerseits war immer besonders empfänglich für literarische Inspiration. Zwei seiner Orchesterwerke bilden die Klammer um drei Kompositionen von Franz Liszt und Gabriel Fauré, die erst im 20. Jahrhundert zu Orchesterliedern umgeformt wurden. Was auch eine Schärfung des Ausdrucks bedeutet: Das Lied der Mélisande handelt von drei Königstöchtern, die jede Hoffnung verloren haben - das düster symbolistische Stück lässt in der Instrumentation von des Debussy-Schülers Charles Koechlin jegliche Sentimentalität weit hinter sich.
Entfesselte Spielfreude vermag Heinz Holliger zum Schluss dem Musikkollegium Winterthur zu entlocken, wenn es den Schlusssatz von Schuberts «tragischer» c-Moll-Sinfonie in Angriff nimmt - eine Stimmung, die sich mühelos auf das Publikum im Stadthaussaal überträgt.
Robert Schumann: Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52
Franz Liszt: «Die drei Zigeuner» und «Oh! Quand je dors» für Singstimme und Orchester (Fassung von Bernd Alois Zimmermann)
Gabriel Fauré: «La Chanson de Mélisande» aus der Schauspielmusik «Pelléas et Mélisande» op. 80 (Fassung von Charles Koechlin)
Robert Schumann: Ouvertüre zu «Szenen aus Goethes Faust»
Franz Schubert: Sinfonie Nr. 4 c-Moll D 417 «Tragische»
Musikkollegium Winterthur
Heinz Holliger, Leitung
Sarah Wegener, Sopran
Konzert vom 24. Oktober 2018, Stadthaus Winterthur
Dieses Konzert steht bis 7 Tage nach Sendetermin zum Nachhören zur Verfügung.