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09.03.2004: Patienten-Drama: Wie viel darf ein Menschenleben kosten?
Aus Kassensturz vom 09.03.2004.
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Gesundheit Patienten-Drama: Wie viel darf ein Menschenleben kosten?

Ein 49-Jähriger braucht für eine lebenswichtige Operation eines der teuersten Medikamente der Welt. Niemand will dafür bezahlen. Krankenkasse, Kanton und Spital streiten sich seit Monaten. Für sie geht es um viel Geld, für den Patienten um Leben oder Tod.

Der 49-jährige Klaus Lutz ist schwer krank. Er leidet an einer chronischen Leberentzündung. Nur eine Leberstransplantation kann sein Leben retten. Für die Operation benötigt Klaus Lutz NovoSeven, das teuerste aller Gerinnungsmedikamente.

Denn er ist Bluter, d.h. er blutet bei der kleinsten Verletzung stark. Er hat eine ganz seltene Form der Bluterkrankheit. Die besondere Tragik: Die Ursache für seiner Leberzirrhose sind lebensnotwendige Gerinnungsmedikamente, die bis Mitte der 80er Jahre mit dem Hepatitis-C-Virus verseucht waren.

Die Behandlung mit NovoSeven während der Transplantation kostet 850'000 Franken. Niemand will diese horrenden Kosten bezahlen, denn sie liegen weit über den üblichen Operations-Pauschalen. Klaus Lutz soll am Universitätsspital Zürich operiert werden.

Sein Heimatkanton St. Gallen zahlt dem Spital die vertraglich vereinbarte Pauschale von rund 70'000 Franken. Die Krankenkasse Helsana leistet ebenfalls den vertraglich vorgeschriebenen Betrag von rund 60'000 Franken. Damit lassen sich die Medikamentenkosten nicht begleichen.

Die Mehrkosten will niemand übernehmen. Seit Monaten wartet der Bluter vergeblich auf Kostengutsprache. Die Frage, wer das Medikament bezahlen soll, wird zum Rechtsstreit. Klaus Lutz wohnt im Kanton St. Gallen. Kantonsarzt Markus Betschart erklärt den Standpunkt des Kantons: «Weil es eine Pauschale gibt, sind wir natürlich der Meinung, dass in dieser Pauschale der so genannte Billigstfall drin ist, wie auch der teuerste Fall. Und darum sind wir der Meinung, dass wir einfach die Pauschale zahlen und mehr nicht.»

Die Krankenkasse Helsana beruft sich auf die von den Krankenkassen mit den Unispitälern abgeschlossenen Verträge. Demgemäss sind die Medikamentenkosten in der vereinbarten Pauschale mitabgegolten. Das Unispital Zürich hingegen macht geltend, dass die Medikamentenkosten ein Mehrfaches der Pauschale ausmachen, was seinen Budgetrahmen sprengt.

NovoSeven wird von der dänischen Pharmafirma Novo Nordisk hergestellt. Die Firma begründet den extrem teuren Preis des Gerinnungsmedikaments mit der kleinen Patientengruppe und den hohen Entwicklungskosten. In der Schweiz gibt es 7 Patienten, in ganz Europa sind es 1200. Trotzdem: Die Firma hat mit NovoSeven eine Monopolstellung und kann dafür eigentlich jeden Preis verlangen.

Margrit Kessler von der Schweizerischen Patientenorganisation findet: «Dass man den Patienten auf die lange Bank schiebt und hofft, dass sich das Problem unter Umständen selber löst - nämlich dass der Patient stirbt - ist ethisch nicht verantwortbar.»

Dank den Recherchen von Kassensturz hat das Warten jetzt aber endlich ein Ende: Der Kanton St. Gallen zahlt vorderhand für das Medikament. «Wenn keine der Parteien bereit ist, nachzugeben, dann gibt es einen juristischen Streit, der wahrscheinlich sehr lange dauert.

Aber jetzt ist wichtig, dass wir keine Zeit verlieren und der Patient operiert wird. Deshalb sind wir bereit, die Kosten zu übernehmen und nachher das juristische Geplänkel weiterzuführen», so Kantonsarzt Markus Betschart.

Novo Nordisk sicherte Kassensturz zu, mit dem Unispital nochmals über den Preis von NovoSeven zu verhandeln. Managerin Susan Landolt sagt: «Das Ziel von Novo Nordisk ist, dass Herr Lutz, der im Moment in einer sehr schwierigen Situation ist, operiert werden kann, und dass das nicht an der Verfügbarkeit von NovoSeven scheitert.»

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