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Mehr Keime in Cervelats: Bund bewilligt gesetzliche Extrawurst
Aus Kassensturz vom 10.06.2014.
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Konsum Mehr Keime in Cervelats: Bund bewilligt gesetzliche Extrawurst

Er sorgte vor zwei Jahren für grosse Aufregung: Der «Kassensturz»-Cervelats-Test. Damals lies «Kassensturz» über 30 Cervelats auf deren Gesamtkeimzahl testen. Das Resultat: Die Hälfte lag über dem Toleranzwert. Nun reagiert das zuständige Bundesamt: Mit einer Erhöhung des Toleranzwertes.

Es klingt wie ein schlechter Scherz: «Kassensturz» deckt auf, dass die Gesamtkeimzahl vieler Cervelats teils deutlich über dem Toleranzwert liegt. Worauf das Bundesamt und die Fleischbranche eine Erhöhung der Toleranzwerte beschliessen. Wert erhöht, Problem gelöst.

Gesamtkeimzahl gibt Hinweis auf Sauberkeit

So jedenfalls muss die Erhöhung des Toleranzwertes für aerobe, mesophile Keime – auch Gesamtkeimzahl genannt – interpretiert werden. Denn vor zwei Jahren hat «Kassensturz» über 30 Cervelats von verschiedenen Metzgereien und Grossverteilern ins Labor geschickt. Untersucht wurde die Gesamtkeimzahl der Würste. Der Toleranzwert lag damals bei einer Million Keime pro Gramm. Etwa die Hälfte der getesteten Würste hatte damals mehr als eine Million Keime.

Die Gesamtzkeimzahl ist eine wichtiger Indikator für die Sauberkeit des Produktionsprozesses. Markus Schetter, Qualitätschef beim Fleischverarbeiter Carnosa in Langenthal, will deshalb so wenig Keime wie möglich in seinen Würsten: «Zufrieden bin ich, wenn ich nach der Produktion weniger als tausend Keime in der Wurst habe.» So sei die Gefahr sehr gering, dass am Ende der Haltbarkeit mehr als eine Million Keime darin enthalten sei.

Bundesamt verfünffacht erlaubte Keimzahl

Der «Kassensturz»-Test sorgte damals für Schlagzeilen und Diskussionen. Auch in der Fleischbranche wurde heftig diskutiert. Und nun, zwei Jahre danach, scheint die Lösung gefunden. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) setzte den Toleranzwert für Brühwürste (Cervelats, Bratwürste, etc.) auf fünf Millionen Keime pro Gramm. Das ist das Fünffache des alten Werts von einer Million.

Für Michael Beer vom BLV ist das kein Problem, denn der alte Wert sei zu tief gewesen, sagt er. «Wir wollten einen Wert, mit dem alle Produzenten leben können. So müssen wir keine Waren wegwerfen, die qualitativ einwandfrei sind.» Denn auch bei fünf Millionen Keimen, so Beer, sei die Qualität der Würste einwandfrei und es bestehe überhaupt keine Gefahr für die Gesundheit.

Ruedi Hadorn, Präsident des Schweizerischen Fleischfach-Verbandes, verteidigt den Grenzwert. Dieser Hygiene-Indikator zeige früh an, wenn etwas in der Produktion nicht stimme. Er betont, auch bei erhöhten Keimzahlen seien die Würste qualitativ einwandfrei. Der jetzige Grenzwert fördere die Lebensmittelverschwendung: «Mit dieser Keim-Vorwarnstufe haben wir vergleichsweise kurze Mindesthaltbarkeitsdaten, und das führt heute vielfach dazu, dass hochqualitative Lebensmittel frühzeitig aus dem Verkehr gezogen werden.» Dies würde der Verband absolut nicht gutheissen.

Ist das BLV eingeknickt?

Brisant an der Erhöhung des Toleranzwertes ist aber: Der Schweizer Fleischfachverband fordert in seinen internen Qualitätsleitsätzen genau diesen Toleranzwert von fünf Millionen. Es scheint, als habe das BLV auf Druck der Branche die Toleranzwerte nach oben korrigiert. Michael Beer vom BLV beschwichtig: «Die Branche muss die Qualität ihrer Produkte definieren. Wir sagen dann, ob wir die vorgeschlagenen Werte akzeptieren.»

Es bleibt der Fakt, dass auch unter dem alten Toleranzwert problemlos Würste produziert werden konnten. «Wir mussten und konnten unter dem alten Toleranzwert von einer Million produzieren», sagt Markus Schetter von Carnosa. Der neue Wert stehe zwar auf dem Papier, im Betrieb werde sich aber nichts ändern, sagt Schetter. «Auch in Zukunft sollen meine Würste weniger als eine Million Keime pro Gramm enthalten.»

Für gewissenhafte Metzger hat sich also nichts geändert, für alle andern schon: Bei ihnen werden jetzt mehr Keime toleriert.

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