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Rechnungen an Tote: «Unter der Gürtellinie»
Aus Espresso vom 18.08.2015. Bild: SRF
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Konsum Rechnungen an Tote: «Unter der Gürtellinie»

Eine neue Betrugsmasche zielt auf Menschen in Trauer. Unter dem Namen «Sablie Dienstleistungen» verschicken Betrüger fingierte Rechnungen an kürzlich Verstorbene. Im Baselbiet sind bereits zwei Anzeigen gegen die Verantwortlichen eingegangen.

«Sehr geehrter Herr M., sicher ist Ihnen entgangen, dass unsere Rechnung […] zur Zahlung fällig gewesen wäre.» Der Brief beginnt wie jede gewöhnliche Zahlungserinnerung. Und der Betrag ist mit knapp 200 Franken nicht auffällig.

Daher ist es mehr Zufall, dass Ruth S., die Witwe des Empfängers, überhaupt gemerkt hat, dass es sich um einen Betrugsversuch handelt. «Im letzten halben Jahr vor seinem Tod war mein Mann pflegebedürftig», sagt Ruth S. In dieser Zeit habe sie sich um alles gekümmert – auch um die Rechnungen an ihren Mann.

Brief
Legende: Getrickse auch mit dem Firmennamen: Im Logo (rechts) schreibt sich die Firma mit «L». In der Adresse (links) ohne «L» SRF

Absender der Mahnung ist gemäss Briefkopf eine Firma mit Namen «Sablie Dienstleistungen». Da Ruth S. diesen Namen noch nie gehört hat und aus der Rechnung nicht hervorgeht, um welche Art von Dienstleistung es sich handelt, sucht sie im Internet nach der Firma. Ohne Erfolg.

Also schreibt Ruth S. einen Brief an die angegebene Postfachadresse. Sie bittet «Sablie Dienstleistungen» darum, nachzuweisen, wofür die Rechnung ausgestellt worden sei. Eine Antwort hat sie nie erhalten. Daran, dass es sich um einen Betrugsversuch handelt, zweifelt Ruth S. nun endgültig nicht mehr.

«Das hat System»

Als Ruth S. kurze Zeit später erfährt, dass auch eine Kollegin der Fasnachts-Clique gestorben ist, warnt sie deren Angehörige. «Denn die Familie meiner Kollegin weiss ja vielleicht nicht, welche Dienstleistungen die Frau bezogen hatte.»

Prompt landet eine fast identische Rechnung bei Roland H., dem Bruder der verstorbenen Kollegin. Er sagt: «Als die Rechnung mit dem gleichen Text bei uns ankam, war für mich der Fall klar: Das hat System. Die schauen sich die Todesanzeigen an und verschicken dann solche Rechnungen.» Roland H. findet deutliche Worte für dieses System: «Die Situation von Trauernden auszunützen, ist unter der Gürtellinie.»

Und auch Ruth S. ist fassungslos ob der Dreistigkeit der Betrüger: «Der Tod einer so nahestehenden Person bringt einen in eine Ausnahmesituation. Da ist es gut möglich, dass man eine solche Rechnung einfach bezahlt, ohne genau hinzuschauen.»

Zwei Anzeigen eingegangen

Die Mahnungen an die verstorbenen Angehörigen von Ruth S. und Roland H. führen zu einem Postfach in Liestal – ebenso die angegebene E-Mail- bzw. Internetadresse.

Gut möglich, dass das perfide Spiel für die Verantwortlichen bald zu Ende und ein juristisches Nachspiel hat: Auf Anfrage bestätigt die Baselbieter Polizei gegenüber dem Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1, dass «in der Angelegenheit» zwei Anzeigen eingegangen seien. Die Polizei Basel-Stadt hatte noch keine Kenntnis von der Masche.

«Espresso» hat auch versucht, die Verantwortlichen von «Sablie Dienstleistungen» zu kontaktieren. Die diversen Anfragen blieben unbeantwortet.

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