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Warum ist WhatsApp eigentlich gratis?
Aus Espresso vom 08.05.2018. Bild: Keystone
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Messenger Warum ist WhatsApp eigentlich gratis?

Die beliebte Kurz-Nachrichten-App verdient an ihren Nutzern kein Geld. Wie kann das funktionieren? Und wie lange noch?

Letzte Woche gab WhatsApp-Mitgründer Jan Koum bekannt, dass er das Unternehmen verlassen werde. Statt um Technologie wolle er sich künftig anderen Dingen widmen: Seiner Sammlung von seltenen, luftgekühlten Porsches zum Beispiel oder Ultimate Frisbee spielen.

Koum kann es sich leisten: Als Facebook im Jahr 2014 WhatsApp für den Preis von 19 Milliarden Dollar übernahm, wurde er zusammen mit dem zweiten Gründer Brian Acton auf einen Schlag zum Multimillionär.

Konkrete Gründe für seinen Abschied nannte Jan Koum keine. Doch Insider wollen wissen, er habe sich mit Facebook über die künftige Ausrichtung von WhatsApp überworfen. Das heisst: Koum war nicht damit einverstanden, wie Facebook in Zukunft mit WhatsApp Geld machen will. Denn bis heute verdient die grösste Nachrichten-App der Welt nichts an ihren Nutzern. Dafür gibt es verschiedene Gründe – und einige Möglichkeiten, wie sich das in Zukunft ändern könnte.

1. Facebook kann es sich leisten

Eine Übernahme von 19 Milliarden Dollar bezahlt auch ein Unternehmen wie Facebook nicht einfach aus der Portokasse. Doch mit einem Jahresumsatz von 40 Milliarden Dollar musste Facebook auch nicht Angst haben, durch den Kauf ruiniert zu werden – zumal der grösste Teil der Summe nicht in Geld, sondern als Aktienkapital überwiesen wurde. Kurz also: Facebook konnte sich WhatsApp leisten. Und Facebook kann es sich auch leisten, mit dem Dienst kein Geld zu verdienen.

Denn WhatsApp ist im Unterhalt nicht besonders teuer. Zur Zeit der Übernahme arbeiteten gerade einmal 50 Angestellte für die App. Wie viel es heute sind und was WhatsApp für Kosten verursacht, ist nicht bekannt. Facebook weist den Dienst in seinen Jahreszahlen nicht gesondert aus. Es ist aber anzunehmen, dass WhatsApp in Facebooks-Kostenrechnung kein sonderlich grosser Budgetposten ist.

2. Die Konkurrenz in Schach halten

Als Facebook WhatsApp übernahm, war der Nachrichtendienst rasant am wachsen. Am Tag sollen damals gut eine Million neue Nutzerinnen und Nutzer dazugekommen sein. Heute ist WhatsApp mit rund 1,5 Milliarden monatlichen Nutzern die meistbenutzte Nachrichten-App der Welt. Facebooks eigene Messenger-App folgt erst an zweiter Stelle mit gut 1,3 Milliarden.

Bei der Übernahme ging es also auch darum, sich ein Unternehmen einzuverleiben, das Facebook auf dem wichtigen Feld der mobilen Internetnutzung abzuhängen drohte. Und auch darum, zu verhindern, dass WhatsApp an einen Mitbewerber wie Google oder Microsoft fällt. Dies zu erreichen war Facebook wichtiger als ein lukratives Geschäftsmodell für die App. Getreu dem Motto: Lieber wir verdienen kein Geld mit WhatsApp, als dass ein anderer uns damit Konkurrenz macht.

3. Abo? Nein danke. Wachstum? Ja gerne!

Vor der Übernahme durch Facebook verdiente WhatsApp Geld mit einer Abogebühr von jährlich einem Dollar, die nach dem ersten Jahr der Nutzung fällig wurde. Müssten heute noch alle Nutzerinnen und Nutzer zahlen, würde die App damit stolze 1,5 Milliarden Dollar im Jahr verdienen.

«Müssten» und «würde», denn Facebook hat die Gebühr 2016 gestrichen – wohl um die Nutzerzahlen der App weiter ungehemmt wachsen zu lassen. Nichts deutet darauf hin, dass Facebook die Abogebühr in Zukunft wieder einführen will.

4. Lieber Firmenkunden als Werbung

Die beiden WhatsApp-Gründer haben sich stets dagegen gewehrt, dass in WhatsApp Werbung angezeigt wird. Niemand weiss, ob Facebook sich weiterhin an diesen Grundsatz halten wird, jetzt wo nach Brian Acton auch Jan Koum das Unternehmen verlassen hat. Es ist aber anzunehmen, dass weiterhin auf aggressive Werbung verzichtet wird, um Nutzerinnen und Nutzer nicht zu verärgern (siehe auch 1.).

Trotzdem können in Zukunft auch bei WhatsApp bestimmte Werbeformen möglich werden: Facebook ist seit längerem bemüht, den Dienst für Firmenkunden nutzbar zu machen. Eine Bank könnte dort zum Beispiel Kundendienst betreiben, eine Fluggesellschaft über verspätete Flüge informieren oder ein Online-Händler seinen Kundinnen und Kunden Links zu Schnäppchen-Angeboten schicken (wenn die sich für einen solchen Service registriert haben). Dafür würde Facebook von den Unternehmen dann eine Gebühr kassieren.

Nicht zuletzt hätten diese Pläne zum Abgang von Jan Koum geführt, heisst es. Denn damit die oben beschriebenen Möglichkeiten für Firmenkunden optimal funktionieren, müsste WhatsApp ihnen wohl mehr Nutzerdaten als bisher zur Verfügung stellen und eventuell auch die starke Verschlüsselung der Nachrichten schwächen.

Heute ist es so, dass WhatsApp-Nachrichten mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt sind. Das heisst: Niemand ausser Sender und Empfänger können den Inhalt lesen. WhatsApp selbst verkauft keine Nutzerdaten. Und auch mit dem Mutterkonzern Facebook dürfen nach Gerichtsurteilen in verschiedenen Ländern und der neuen europäischen Datenschutz-Grundverordnung wegen Nutzerdaten wie zum Beispiel Telefonnummern nicht mehr geteilt werden.

5. China zeigt, wie’s geht

Wer nach möglichen Geschäftsmodellen für WhatsApp sucht, kann nach China blicken. Dort existiert mit WeChat die drittbeliebteste Nachrichten-App der Welt. Mit gut einer Milliarde Nutzerinnen und Nutzer liegt WeChat zwar hinter WhatsApp und Facebooks Messenger, doch im Gegensatz zu WhatsApp macht WeChat schon heute Milliardenumsätze – und Werbung trägt nur einen kleinen Teil dazu bei.

Der Grund: Der 2011 lancierte Dienst lässt seine Nutzerinnen und Nutzer heute viel mehr machen als nur Nachrichten austauschen. In der App können sie auch Games spielen, Taxis bestellen, Reisen buchen oder Geld überweisen. Allein mit diesen Diensten soll WeChat im ersten Halbjahr 2017 rund 5,5 Milliarden Dollar Umsatz gemacht haben.

Kein Wunder, testet auch Facebook für WhatsApp ähnliche Geschäftsideen, zum Beispiel mit den oben beschriebenen Angeboten für Firmenkunden. Und Facebook interessiert sich auch für die Möglichkeit, in der App Geld zu überweisen. In Indien läuft bereits ein Testversuch.

Wenn Facebook künftig einen kleinen Prozentsatz von jeder Überweisung für sich abzweigen könnte – so wie Kreditkartenfirmen das tun – käme sehr schnell sehr viel Geld zusammen. Bei WeChat sollen rund zwei Drittel der Nutzerinnen und Nutzer das entsprechende Angebot benutzen. Wären es bei WhatsApp ebenso viele, entspräche das einer Nutzerbasis von 1 Milliarde Leuten.

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