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Schwule dürfen nach wie vor nicht Blut spenden
Aus Puls vom 04.05.2015.
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Gesundheit Blutspende – Umstrittenes Verbot für Homosexuelle

Wer Blutspenden will, muss diverse Kriterien erfüllen – zur eigenen Sicherheit und zur Sicherheit der Blut-Empfänger. Homosexuelle Männer sind grundsätzlich von der Blutspende ausgeschlossen, da sie sich statistisch häufiger mit HIV infizieren.

Das Thema ist nicht neu. Die aktuelle Diskussion wieder in Gang gebracht hatte ein homosexueller Franzose, der Blut spenden wollte. Doch der Arzt im nordfranzösischen Metz lehnte ab. Als Schwuler gehöre er zu einer Risikogruppe für sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV und damit sei er von der Blutspende ausgeschlossen, begründete der Arzt. Der betroffene Franzose klagte daraufhin vor Gericht.

EU-Gerichtsentscheid

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat geurteilt, dass der Ausschluss von Männern, die Sex mit Männern haben, zwar rechtens sein kann. Allerdings müsse ein solches Verbot verhältnismässig sein. Die Richter unterstrichen, dass zu prüfen sei, ob es keine geeigneten Alternativen zu einem Ausschluss gebe. Dies könnten etwa wirksame Testmethoden für Blutspenden oder eine genaue Befragung des Spenders zu riskantem Sexualverhalten sein.

Diese Möglichkeiten muss nun das für den Einzelfall zuständige Gericht in Strassburg für Frankreich prüfen. Für die Schweiz sind die Entscheide des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg nicht verbindlich.

Swissmedic hält an Verbot fest

Eine HIV-Infektion kommt in der Schweiz bei drei von 1000 Personen vor. Bei Schwulen sind es jedoch 100 Ansteckungen pro 1000 Personen. Gemäss den neuesten vom Bundesamt für Gesundheit zuletzt im Mai 2014 publizierten epidemiologischen Daten sind homosexuelle Männer in der Schweiz nach wie vor die am stärksten von HIV betroffene Gruppe. Knapp 40 Prozent aller gemeldeten HIV-Diagnosen stammten aus der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben. Dies sei verglichen mit der Grösse der Bevölkerungsgruppe – sie macht Schätzungen zufolge nur etwa drei Prozent der sexuell aktiven männlichen Bevölkerung aus – sehr hoch, argumentiert Swissmedic. Mediensprecher Lukas Jaggi ergänzt aber: «Kurzfristig wird sich nichts an der Handhabung ändern. Wir überprüfen die Ausschlusskriterien aber laufend aufgrund der neuesten Daten, die international diskutiert werden. Was man vielleicht noch erwähnen kann, ist, dass man eine ganz andere Ausgangslage hätte, wenn es etwa einen marktfähigen HIV-Impfstoff gäbe.» Davon ist man im Moment allerdings noch sehr weit entfernt.

Rudolf Schwabe, Geschäftsführer vom Blutspendedienst des Schweizerischen Roten Kreuzes nennt ein realistischeres Szenario: «In fünf bis zehn Jahren sind wir mit grosser Wahrscheinlichkeit soweit, dass man mit einem speziellen Verfahren alle Blutprodukte pathogen inaktivieren kann. Das heisst, dass man sämtliche Viren und Bakterien aus den Blutprodukten eliminieren kann, ohne dass das Blutprodukt selber an Qualität verliert. Dann sind sie zu hundert Prozent sicher.»

Infektiologen fordern Umdenken

Das Blutspende-Verbot für homosexuelle Männer ist für Infektiologe Huldrych Günthard vom Universitätsspital Zürich ein alter Zopf aus den 1980er-Jahren. «Erstens schliesst der Fragebogen viele mögliche Risiken bereits aus. Wenn also jemand den Fragebogen ehrlich beantwortet – ob homosexuell oder heterosexuell – dann schliesst der Fragebogen die möglichen Risiken einer HIV-Infektion aus. Und zweitens sind die Testverfahren in den modernen Labors so genau, dass selbst frische HIV-Infektionen entdeckt werden würden.» Für den Infektiologen gibt es in der heutigen Zeit deshalb keinen medizinischen Grund, Schwule von der Blutspende auszuschliessen. «Vor 20 Jahren war das anders. Da waren die Tests noch nicht genau genug und man kannte die Übertragungsmechanismen noch nicht en detail. In den letzten Jahren hat man aber viele neue Erkenntnisse gewonnen, die uns heute helfen, die Krankheit, ihre Biologie und die Ansteckungswege viel besser zu verstehen. Einen Unterschied zwischen Menschen unterschiedlicher sexueller Ausrichtung zu machen, kann ich nicht nachvollziehen. In allen sexuell aktiven Gruppen gibt es Personen, die ungeschützten Sex haben und die vielleicht risikoreichere Praktiken anwenden. Den Einzelfall kann man deshalb gar nie ausschliessen. Ein Fragebogen, der reale Risiken abfragt und eine HIV-Ansteckung so minimiert, reicht deshalb für alle sexuell aktiven Menschen, ob heterosexuell oder homosexuell.»

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