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Kritik an neuen Transplantationsrichtlinien
Aus Puls vom 13.11.2017.
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Gesundheit Hirntot neu nach fünf statt zehn Minuten

Ab 15. November gilt das revidierte Transplantationsgesetz. Damit verkürzt sich die Wartefrist bis zur Feststellung des Hirntods von zehn auf fünf Minuten. Es ist ein wertvoller Zeitgewinn für die Qualität von Spenderorganen. Kritiker befürchten, dass er auf Kosten der Spenderwürde geht.

Es mag schauerlich klingen, aber auch selbstverständlich: Menschen, die ihr Organ für eine Transplantation zur Verfügung stellen, müssen garantiert tot sein.

Die Feststellung des Todes ist in ausführlichen Richtlinien detailliert geregelt. So gilt für sogenannt «herztote» Spender: Ihr Herzstillstand muss mit einem Herzultraschall belegt sein. Bis zur ebenfalls obligatorischen Hirntod-Diagnose müssen zehn Minuten Wartezeit verstreichen. Diese Wartefrist wird nun auf fünf Minuten verkürzt. So beschloss es die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) nach einer Vernehmlassung.

Kritik an der Fünf-Minuten-Wartezeit

Die Verkürzung der sogenannten No-Touch-Frist wird in einer Medienmitteilung von vier verschiedenen Organisationen kritisiert:

  • Vereinigung Katholischer Ärzte Schweiz
  • Hippokratische Gesellschaft Schweiz
  • Human Life International Schweiz
  • Schweizerische Gesellschaft für Bioethik

Die Kritiker befürchten, dass die verkürzte Wartefrist zwischen gesichertem Herzkreislauf-Stillstand und Hirntod-Diagnose zu kurz sein könnte. Sie vermuten, dass bestimmte Hirnregionen doch noch nicht ganz abgelöscht sein könnten, vor allem im Hirnstamm. Der Spender dürfe auf keinen Fall noch in irgendeiner Art lebendig sein, die neue Regelung sei zu überdenken.

Schweizer Transplantationsfachleute hingegen betonen, dass nach heutigem Standard das Gehirn und damit der ganze Mensch schon nach drei Minuten vollständig tot sei. Die fünfminütige Wartefrist sei absolut sicher und entspreche der Praxis vieler anderer Länder, wie Frankreich, Belgien oder Holland.

Sie betonen die strengen Schweizer Abläufe und Vorschriften in dieser Frage. Es gelte einerseits, sowohl die Spender zu schützen, aber auch die Qualität der Organe zu garantieren. Die verkürzte Wartefrist bis zur Hirntod-Diagnose bringe keinerlei Nachteile für die Spender.

Sonderfall Deutschland

Deutschland lehnt bis heute die Organspende nach primärem Herztod ab. Ursache ist die grosse Skepsis Deutscher Ärzte gegenüber einem Abbruch lebensverlängernder Massnahmen. Diese Skepsis ist historisch begründet. Denn während des Nationalsozialismus wurden Patienten willkürlich von Medizinern ermordet.

Was bedeutet Organspende nach Herztod?

Zu «herztoten» Organspendern können Patienten werden, die zwar nicht hirntot sind, aber eine aussichtslose Prognose haben und auf der Intensivstation liegen.

Organspenden nach erfolglos verlaufenen Reanimationen werden in der Schweiz nicht vorgenommen. Durch den Abbruch der lebenserhaltenden Massnahmen tritt bei den Patienten mit hoffnungsloser Prognose ein Herzkreislauf-Stillstand ein. Darauf folgt unweigerlich der Tod, der medizinisch als Hirntod definiert ist.

Damit eine Organspende erfolgen kann, braucht es einerseits die entsprechende Willensäusserung des Verstorbenen oder das Einverständnis der Angehörigen. Doch auch dann ist eine Organspende durch primär Herztote nur durchführbar, wenn spätestens zwei Stunden nach Abbruch der lebensverlängernden Massnahmen der Herzstillstand eintritt. Sonst nehmen die Organe, etwa Leber, Nieren, oder Lunge, bereits zu viel Schaden.

Sowieso ist das Herz bei diesen Patienten für eine Spende «unbrauchbar». Dies ist ein Unterschied zu den primär hirntoten Spendern, bei denen das Herz noch bis zum Schluss autonom schlagen konnte.

Revision des Transplantationsgesetzes

Die SAMW-Richtlinien wurden im Rahmen der Revision des Transplantations-Gesetzes überarbeitet. Das Gesetz tritt am 15. November in Kraft. Das Transplantationsgesetz hat sich laut Botschaft des Bundesrates bewährt. Die jetzt in Kraft tretende Revision soll einzelne Unsicherheiten und Lücken beheben.

  • Der Zeitpunkt für die Anfrage von Angehörigen wird genauer festgelegt
  • Die Zustimmung zu vorbereitenden Massnahmen bei Urteilsunfähigkeit wird geregelt
  • Lebendspender werden finanziell besser abgesichert
  • Grenzgänger bei der Zuteilung von Organen der Wohnbevölkerung gleichgestellt

Bis jetzt 123 Organspender im laufenden Jahr:

Dieses Jahr haben 123 verstorbene Menschen in der Schweiz Organe gespendet (Stand: 10. November 2017). Es waren 91 Spender nach Hirntod und 32 Spender, die primär nach einem Herzkreislauf-Stillstand gestorben sind. Die herztoten Spender sind also eine Minderheit.

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