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Massenware Tomate - Geschmacklos und trotzdem gesund?
Aus Puls vom 21.08.2017.
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Gesundheit Beliebte Tomate

Die Tomate ist eines der liebsten Gemüse von Herr und Frau Schweizer: Pro Kopf und Jahr kommen rund sieben Kilo auf den Tisch – obwohl die rote Pracht meist deutlich appetitlicher aussieht als sie schliesslich schmeckt.

Seit Jahrzehnten wurden Tomaten auf ganz bestimmte Kriterien hin gezüchtet:

  • Hoher Ertrag am Tomatenstock
  • Haltbarkeit
  • Resistenz gegen bestimmte Krankheiten
  • Gute Transportfähigkeit
  • Schöne, rote Farbe

Die Ziele sind erreicht – auf Kosten des Geschmacks.

Die Optik entscheidet beim Kauf

Martin Koller, Agronom am Forschungsinstitut für biologischen Landbau, kann die Entwicklung durchaus nachvollziehen: «Beim Vermarkten spielt die optische Präsenz natürlich eine wichtige Rolle», erklärt der Tomaten-Experte, «heute macht hinter dem Verkaufstresen keine Marktfrau mehr Werbung für eine besonders schmackhafte Tomatensorte.»

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Worauf achten beim Tomatenkauf?
aus Ratgeber vom 22.08.2017. Bild: Colourbox
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Die Tomate müsse sich quasi selber verkaufen – und das schafft sie durch eine überzeugende Optik. Leider bedeutet aber ein intensives Rot, weniger Geschmack. Das hat mit bestimmten Genen der Tomate zu tun, haben Wissenschaftler in Spanien und den USA herausgefunden.

Neu sind nun Bestrebungen in Gang, bei Neuzüchtungen wieder vermehrt auf gutes Aroma zu selektionieren. Bis sich die Resultate im Markt niederschlagen, dürften aber noch ein zwei Jahre vergehen.

Der Geschmack ist optimierbar

Produzenten, die Tomaten für den Verkauf ab Hof oder am Gemüsemarkt ziehen, legen den Fokus sicher weniger auf Perfektheit der Tomate in Aussehen, Ertrag und Handhabung. Bei ihnen findet man auch alte Sorten, die nicht für den intensiven Anbau im beheizten Gewächshaus oder auf Hors-sol-Nährlösungen geeignet sind.

Die studierte Biologin Sibylle Siegrist experimentiert im aargauischen Küttigen mit Sorten aus aller Wert. 150 Tomatensorten zieht sie nach Bio-Richtlinien in ihren beiden Folientunnels, die auch nicht beheizt werden, sondern den Tomatenstöcken nur als Regenschutz dienen.

Drei bis vier Kilo Tomaten gibt ein Stock pro Woche im Schnitt her – rund ein Achtel von dem, was ein Hochleistungstomatenstock bringen muss. Der kleinere Ertrag könnte aber vielleicht den Geschmacks-Unterschied ausmachen. «Bei mir darf viel Blattzeug am Stock wachsen und vielleicht bringt das Mehr an Pflanzenvolumen pro Frucht auch mehr Geschmack, weil die Pflanze mehr Inhaltsstoffe in die einzelne Frucht einbringen kann», sinniert Sibylle Siegrist über den Geschmackunterschied vieler alten Tomatensorten.

In ihrer Kleinproduktion können die Früchte zudem an der Pflanze ausreifen und kommen nach der Ernte innerhalb von zwei Tagen zum Konsumenten.

Konsumenten mögen's süss

«Bei Tomaten-Degustationen hat man häufig festgestellt, dass süssliche Tomaten von den Konsumenten als besonders schmackhaft bewertet werden», erklärt Agronom Martin Koller und stützt die Theorie der Bio-Produzentin. «Je länger eine Tomate an der Pflanze hängt, desto mehr Zucker kann über die Oberfläche der Blätter in der Pflanze gebildet und in die Tomate eingelagert werden.»

Tomaten mögen's warm

Kälte bekommt der Tomate überhaupt nicht. Bei Temperaturen unter 12 Grad wird die Produktion von Aromastoffen unterbunden. Und auch eine schmackhafte Tomate verliert bei der Lagerung im Kühlschrank bereits gebildete Aromastoffe. Es gilt: Tomaten nie in den Kühlschrank!
Das «Kälteproblem» kennt Sibylle Siegrist gar aus eigener Produktion: «Wenn im Herbst die Nachtwärme fehlt und die Temperatur auf sieben acht Grad fällt, dann verlieren die Tomaten an Geschmack und deshalb habe ich im Herbst nicht mehr die gleich guten Tomaten aus meinem Anbau.» Im Intensivanbau werden die Gewächshäuser dann bereits beheizt.

Gesund ist die Tomate allemal

Geschmacklichen Unterschiede hin oder her: Ob eine Tomate aus dem Boden gezogen ist oder – wie jede zweite Tomate, die in der Schweiz über den Ladentisch geht – beim Hors-Sol-Anbau auf einer Nährlösung gewachsen ist, hat auf die gesunden Inhaltsstoffe wie Vitamine, Kalium und Carotinoide keinen Einfluss.

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Tomaten gegen Schlaganfall
Aus Puls vom 22.10.2012.
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Das bestätigt gar Bio-Berater Martin Koller: «Viele Studien haben da keine grossen Unterschiede zu Tage gebracht. Bloss eine Studie ist zum Ergebnis gekommen, dass Bio-Tomaten mehr Polyphenole enthalten.»

Polyphenole sind Antioxidantien, die freie Radikale binden. Der Wissenschaftler vermutet, dass Bio-Tomaten, die im Boden wachsen, stärker gegen zum Beispiel Witterungseinflüsse kämpfen müssen und deshalb mehr schützende Stoffe wie Polyphenole bilden. Gesund ist aber grundsätzlich jede Tomate – egal ob sie schmeckt oder nicht.

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