Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Krebs am Arbeitsplatz «Wer unterstützt Krebspatienten auf dem Weg zurück in den Job?»

Yvonne Bollag, Cornelia Orelli und Anna Zahno haben Ihre Fragen im «Puls»-Chat beantwortet.

Fachpersonen im «Puls»-Chat

Box aufklappen Box zuklappen

Yvonne Bollag

Leitung asim Begutachtung

Versicherungsmedizin

Universitätsspital Basel

Cornelia Orelli

Onkologie-Pflegefachfrau, Psychoonkologische Beraterin SGPO

Fachberaterin Krebstelefon

Krebsliga Schweiz

Anna Zahno

Onkologie-Pflegefachfrau, Psychoonkologische Beraterin SGPO

Leiterin Krebstelefon

Krebsliga Schweiz

Chatprotokoll

Wir sind ein kleines Team und fangen seit einem halben Jahr die krebsbedingte Abwesenheit einer Mitarbeiterin auf. Nun überlege ich mir, zur Unterstützung eine Aushilfe anzustellen. Übernimmt evtl. der Staat oder eine Versicherung einen Teil der Lohnkosten?

Yvonne Bollag: Wenn Sie für Ihre erkrankte Mitarbeiterin eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen haben, übernimmt diese 80% der Lohnkosten für die Dauer der ausgewiesenen Krankheitsabsenzen. In diesem Umfang haben sie ja theoretisch Mittel zur Verfügung um eine Aushilfe einzustellen. Eine darüber hinausgehende Unterstützung des Staates gibt es nicht.

Ich bekomme immer so pseudogute Ratschläge, von Menschen, die es gut meinen. Aber eigentlich ärgert es mich.

Anna Zahno: Ratschläge sind oft schwierig anzunehmen. Wagen Sie es und sagen Sie den Menschen, dass Ihnen diese Ratschläge nichts bringen und Sie sogar ärgern. Oft tun Menschen dies aus einem Nichtwissen wie zu reagieren heraus und sind dann froh darüber, wenn ihnen gesagt wird, was Ihnen gut tun würde und auch helfen könnte in Ihrer Situation. Der Mut lohnt sich.

Einer meiner Angestellten hat sich länger krank schreiben lassen. Ich vermute, dass er Krebs hat. Wie erfahre ich mehr, damit ich einigermassen abschätzen kann, was auf uns zukommt?

Yvonne Bollag: Grundsätzlich ist Ihr Arbeitnehmer nicht verpflichtet Ihnen über seine Erkrankung Auskunft zu geben und der Umgang damit ist in erster Linie Sache der betroffenen Person selbst. Selbstverständlich müssen Sie als Arbeitgeber aber auch planen und organisieren können. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen können und in einem konstruktiven Miteinander die Situation genauer besprechen können und die nächsten Schritte am Arbeitsplatz planen.

Eine Kollegin von uns hat nach erfolgreicher Krebstherapie wieder begonnen bei uns zu arbeiten. Wir würden ihr gerne helfen, trauen uns aber nicht recht, sie zu fragen. Wie sollen wir am besten vorgehen?

Cornelia Orelli: Scheuen Sie sich nicht, Ihre Kollegin zu fragen "Wie kann ich dich unterstützen?" Krebsbetroffene wollen taktvoll aber unumwunden behandelt werden. Sie schätzen es, wenn Arbeitskollegen sich ohne Umschweife nach ihren Bedürfnissen erkundigen. Im Übrigen möchten sie einfach ganz normal behandelt werden. Das Mitteilungsbedürfnis ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark. Die Bereitschaft, Auskunft über sich selbst zu geben, ist bei ein und derselben Person wechselhaft. Dies richtig einzuschätzen und zu respektieren lernen, erfordert ein hohes Mass an Sensibilität von Seiten der Arbeitskollegen- und Kolleginnnen. Manchmal brauchen letztere deshalb selber Unterstützung und suchen Rat beim Krebstelefon 0800 11 88 11.

Bin in Krebsbehandlung und arbeite teilzeit. Mein Chef möchte mir nun das Ferienguthaben kürzen. Darf der das?

Yvonne Bollag: Ja nach OR Art. 329b darf der Ferienanspruch ab dem zweiten Monat einer vollen krankheitsbedingten Absenz pro Folgemonat um einen Zwölftel gekürzt werden. Wenn sie nur teilarbeitsunfähig sind ist die "Schonfrist" entsprechend länger.

Habe Diagnose Prostatakrebs. Fürchte mich davor, das meinem Chef zu sagen, weil ich Entlassung fürchte. Was kann ich tun?!

Anna Zahno: Eine proaktive und ehrliche Kommunikation mit dem Vorgesetzten lohnt sich. Eine Entlassung müssen Sie nicht befürchten, da eine Kündigungssperre gilt bei einer Krankschreibung. Ihr Vorgesetzter wird aber besser auf Ihre Bedürfnisse eingehen können, wenn er informiert ist über Ihre Erkrankung und allfällig nötige Therapie und ev. Abwesenheiten.

Habe ich als KMU mit einem Krebskranken Anspruch auf Unterstützung?

Cornelia Orelli: Es ist sogar ratsam, frühzeitig professionelle Unterstützung beizuziehen und Angebote zu nutzen wie das Krebstelefon, das Telefoncoaching für Arbeitgeber und Coaching-Möglichkeiten vor Ort, wie sie von einigen kantonalen Ligen bereits angeboten werden: https://www.krebsliga.ch/beratung-unterstuetzung/meine-frage-zu-krebs/coaching-fuer-arbeitgeber/

wie wirkt sich eine krebserkankung auf den pensionskassenanspruch aus?

Yvonne Bollag: Wenn sie aufgrund einer Krebserkrankung längere Zeit arbeitsunfähig sind oder dauernd gar nicht mehr oder nur reduzierter arbeiten können haben Sie unter Umständen Anspruch auf eine Invaliditätsrente sowohl der IV wie auch der Pensionskasse. Voraussetzung ist bei der IV eine Einbusse (IV-Grad) von mindestens 40% über ein Jahr. Die PK folgt dem IV-Entscheid. Wenn Sie nach einer Krebserkrankung und Stellenwechsel mit höherer Rezidivgefahr in eine neue Pensionskasse wechslen kann diese allenfalls für den überobligatorischen Bereich (maximal 5 Jahre) einen Vorbehalt anbringen.

+++Ich erhielt im Sommer 2008 die Diagnose Brustkrebs. Nach der Operation gab es bis im Frühling 2009 Chemotherapie (alle 3 Wochen am Freitag). Mit Ausnahme der Chemoinjektionstage habe ich immer gearbeitet, was dank sitzender Arbeit möglich war. Meine Empfehlung: soweit wie möglich das gewohnte Leben weiterführen! Das lenkt von der bedrohlichen Situation am besten ab.+++

Guten Abend, meine Tochter (28-jährig) hat eine Krebstherapie (Hotchkinkrebs) erfolgreich überstanden. Leider wurde ihr die Arbeitsstelle gekündigt. Nun beginnt sie langsam sich wieder in den Arbeits-, spricht Arbeitsmarkt zu integrieren. Gibt es spezielle Vermittlungsbüros oder Beratungsstellen, die Krebspatienten auf dem Weg zurück in die Arbeitswelt unterstützen?

Yvonne Bollag: Nebst der allgemeinen Beratung und Unterstützung durch die Beratungsstellen der Krebsliga kann Ihre Tochter auch (neue) Unterstützungsleistungen und Beratung über die Invalidenversicherung im Rahmen von Integrationsmassnahmen beantragen. Das kann z.B. ein von der IV finanzierter Arbeitsversuch an einem konkreten Arbeitsplatz sein oder Einarbeitungszuschüsse an einen neuen Arbeitgeber, wenn Ihre Tochter schrittweise ihr Pensum steigern sollte.

Guten Abend ich hatte 2013 eine Chemotherapie Dünndarmkrebs. Ich bin während der 6 Monatigen Therapie jede zweite Woche arbeiten gegangen. Nach der Therapie habe ich auf eigenen Wunsch meine Stelle gekündigt. Der Arbeitgeber hat mir darauf im Zeugnis Mutterschaftsurlaub sowie Abwesenheit während der Chemotherapie im Zeugnis vermerkt. Darf er dies rechtlich? Besten Dank für Ihre Rückmeldung!

Yvonne Bollag: Er darf auf keinen Fall Details Ihrer Abwesenheiten im Arbeitszeugnis vermerken (also sicher keine Rückschlüsse auf die Art der Erkrankung). Und Hinweise auf krankheitsbedingte Abwesenheiten sind gemäss Bundesgerichtspraxis nur in Ausnahmefällen zulässig. Ohne den genauen Wortlaut des Zeugnisses und die genauen Umstände zu kennen ist eine abschliessende Beurteilung nicht ganz einfach. Da Sie selber gekündigt haben, auch während der Therapie immer wieder gearbeitet haben und auch Ihre Mutterschaft eine private Angelegenheit ist tendiere ich eher zur Meinung dass Sie eine Korrektur des Arbeitszeugnisses verlangen sollten.

Guten Abend, ich bin 60 Jahre alt und habe vor 2 Jahren Brustkrebs gehabt. Die Brust wurde entfernt, danach hatte ich 2 Chemotherapien, von denen ich mich nicht erhole. Meinen Haushalt schaff ich nicht mehr. An der Arbeitsstelle habe ich nun Probleme weil ich immer wieder ausfalle und wenn ich da bin nur reduziert bin. Meine Chefin möchte mich nicht mehr reduziert arbeiten lassen, wenn ich gekündigt werde finde ich ja keine Arbeit mehr, wie lange erhalte ich Arbeitslosengeld? und danach?

Yvonne Bollag: Ich gehe davon aus, dass Sie auch während der Erkrankung immer in einem Arbeitsverhältnis standen und die Beiträge an die Arbeitslosenversicherung ununterbrochen geleistet wurden. Dann haben Sie Anspruch auf 520 Tage Arbeitslosengelder, da Sie schon über 55 Jahre alt sind. Wichtig scheint mir aber auch dass Sie sich bei der IV anmelden. Zum Beispiel kann Cancer related fatigue im Einzelfall als invalidisierende Folge einer Krebserkrankung oder Therapie anerkannt werden. Es ist zumindest wichtig dass abgeklärt wird ob nicht zumindest eine Teilberentung aus gesundheitlichen Gründen zu erfolgen hat.

Chat-Admin: Der Experten-Chat ist beendet. Besten Dank für Ihr Interesse! Mehr Informationen zum Thema finden Sie auf http://www.srf.ch/sendungen/puls/krebs-am-arbeitsplatz-herausforderung-fuer-angestellte-wie-chefs

Meistgelesene Artikel