Ein schwerer Unfall verändert das Leben des Betroffenen und seiner Angehörigen auf einen Schlag. Häufig können sich Verunfallte nur schwach oder gar nicht an das Ereignis erinnern. Die Rega sei gekommen, sagen die Verwandten und die Krankenschwestern. Doch was genau ist passiert? Und wie geht es weiter? Hier setzt der Sozialdienst der Rega an.
Seit Jahrzehnten geht es bei der Rega nicht nur um Rettung und Transport, sondern auch um die Nachbetreuung schwer betroffener Patienten und ihrer Angehörigen im Spital. Mitarbeitende des Sozial- und Betreuungsdienstes klären offene Fragen in Zusammenhang mit dem Rega-Einsatz, geben Feedback und Dank weiter an die Crews und vermitteln mögliche therapeutische Massnahmen.

Judith Jerez und Dominique Adam vom Sozial- und Betreuungsdienst der Rega besuchen in der Regal jedes Zentrumsspital einmal wöchentlich. Pro Jahr kommen so rund 2000 Patientenbesuche zusammen. Beim Spitalbesuch haben sie kein detailliertes Spitaldossier zur Hand, sondern nur einen Zettel mit den wichtigsten Eckdaten zum Patienten: eine kurze Diagnose und die operationellen Fakten des Rega-Einsatzes im Ambulanzjet oder im Heli. «Vom Rest lasse ich mich überraschen», erklärt Judith Jerez, «so kann ich wertfrei die Patienten unterstützen und vorurteilsfrei spüren, was die Patienten gerade emotional beschäftigt und wie sie mit der Situation klarkommen.»

Bei 99 Prozent der Patientenbesuche handelt es sich um Erwachsene. Jeder hat unterschiedliche Erlebnisse, Verletzungen oder posttraumatischen Verarbeitungsbedarf. Für Kinder ist das wiederholte Erzählen von zentraler Bedeutung. So ist es wichtig, dass die Eltern immer wieder zuhören und auf Wunsch wiederholt den Hergang erzählen oder die gleichen Fragen beantworten.
Intensive Arbeit
Pro Jahr gibt es etwa 300 Todesfälle, bei denen die Rega in irgendeiner Form involviert ist. Vielleicht konnte die Crew vor Ort nur noch den Tod eines Verunfallten feststellen oder ein schwerverletzter Patient verstirbt kurz nach der Rettung im Spital. «Wir schreiben dann persönlich Trauerkarten, nehmen uns einen Moment Zeit für Gedanken an die Hinterbliebenen und Angehörigen», sagt Judith Jerez. «Zu zweit könnten wir das neben den Patientenbesuchen nicht bewältigen, deswegen helfen uns einige Kolleginnen und Kollegen aus der Abteilung dabei. So werden diese manchmal sehr berührenden Momente auch nicht zur Routine.»

Abgrenzung ist wichtig
Dominique Adam und Judith Jerez geben viel von sich selbst, und gerade deshalb ist es wichtig, die richtige Balance zu finden zwischen Mitgefühl, Empathie und professioneller Distanz. «Emotionen sind wichtig in meinem Beruf und gehören dazu. Ich möchte nicht abgestumpft werden. Aber ich darf auch nicht alle Emotionen mit nach Hause nehmen und meinen Partner und meine Kinder damit belasten», erklärt Dominique Adam. Es brauche eine Abgrenzung zum Privatleben, ein mentales Loslassen der täglichen Schicksalsgeschichten. Für Judith sind Yoga, Biken und Schwimmen hilfreich, für Dominique das Fischen und die Gartenarbeit.

Dank und Kritik
Der Sozialdienst ist auch Anlaufstelle für Danksagungen und Feedback aller Art, inklusive Kritik. Negative Rückmeldungen gibt es, wenn Patienten sich ärgern, weil sie etwas schwierig finden oder nicht verstehen. «Oft sind es organisatorische Sachen», meint Judith Jerez. «Von einer Minute zur anderen kommt die Rega, die Leute sind überwältigt und bekommen nicht mit, was im Hintergrund alles passiert. Warum der Heli nicht so schnell gekommen ist, wie sie sich das wünschten. Oder jemand hat sich z.B. ein teures Töffkombi gekauft, verunfallt und ärgert sich, weil es die Retter am Unfallort aufgeschnitten haben. Solche Kritik erübrigt sich aber in den meisten Fällen mit der Erklärung der Umstände.»
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