Marc Reichert, der SC Bern hat eine lange, anstrengende Serie gegen Genf hinter sich. Wie müde ist der SCB?
Marc Reichert: Die Serie war sicher kräfteraubend. Aber die Berner hatten nun trotzdem vier Tage Zeit, um sich zu erholen. Die Spieler hatten zwei Tage komplett frei, konnten den Kopf lüften. Ich sehe da keinen Nachteil. Der SCB wird die Batterien wieder aufgeladen haben.
Gegner Biel setzt auf offensives Eishockey, auf viel Puckbesitz. Riskiert man mit dieser Spielanlage, dem SCB ins offene Messer zu laufen?
Dieses System hat Biel ausgezeichnet, in der Quali wie im Viertelfinal gegen Ambri. Dieses Spiel macht die Bieler unberechenbar, schwierig auszurechnen. Ich gehe jedoch davon aus, dass es gegen Bern schwieriger wird, dem Spiel mit 5 gegen 5 Feldspielern wie bisher den Stempel aufzudrücken.
Biels Topskorer Toni Rajala war bisher eher diskret. Wie ist Ihr Eindruck?
Es ist halt oft so, dass die Teams wissen, wen sie beim Gegner kontrollieren müssen. Aber Rajala ist mit seinem Schuss immer ein Gefahrenherd. Und der Knopf, den er zurzeit hat, kann sich jederzeit wieder lösen.
Gegen Bern wird es schwieriger, dem Spiel mit 5 gegen 5 Feldspielern wie bisher den Stempel aufzudrücken.
Der EV Zug hat sich mit seiner Darbietung in den Viertelfinals in die Favoritenposition manövriert. Wie kann das Team mit der Erwartungshaltung umgehen? Das war ja zuletzt nicht immer eine Stärke des EVZ…
In Zug wurde schon früh von der kommenden Saison gesprochen, wenn man dann mit den «Königstransfers» Genoni und Hofmann einen Titel erwartet. Das kann bereits eine Signalwirkung auf das aktuelle Team haben. Ganz nach dem Motto: ‹Hallo, wir sind auch ohne diese zwei Spieler zum Titel bereit!› Deshalb habe ich nicht das Gefühl, dass der Druck hemmend wirken wird. Zug spielt ein schnelles, attraktives Eishockey und macht einen sehr gefestigten Eindruck.
Mit Tobias Stephan, der ausgerechnet zu Lausanne wechselt, sowie Reto Suri und Dominic Lammer werden sich einige Akteure nach der Saison aus Zug verabschieden. Wie werden sie mit dieser Situation umgehen?
Solche Geschichten sind eher ein Thema für die Medien. So läuft es nun mal in unserem Eishockey mit diesen frühen Transfers. Aber diese Spieler sind jetzt noch in Zug und sie wollen dort einen möglichst guten Abschied feiern. Tatsächlich etwas speziell ist die Situation für Stephan. Ihm hat man Genoni vor die Nase gesetzt. Und er wird umso mehr zeigen wollen, dass das Management dort einen Fehler gemacht hat.
Gegner Lausanne wird zum Halbfinal-Start ohne Topskorer Dustin Jeffrey auskommen müssen. Wie schwer wiegt dieser Ausfall?
Ihn kann man sicher nicht 1:1 ersetzen. Seine Linie mit Christoph Bertschy und Joel Vermin hat top funktioniert. Die Lausanner waren auch etwas abhängig von diesem Trio. Lausanne hat zwar genügend Offensivpower, um den Ausfall wettzumachen. Fehlen wird Jeffrey mit seinen Qualitäten aber trotzdem.
Er wird umso mehr zeigen wollen, dass das Management dort einen Fehler gemacht hat.
Für Ville Peltonen ist es die Rookie-Saison als Head-Coach. Kann das irgendwie Auswirkungen haben?
Klar ist Peltonen ein junger, frischer Trainer, noch nicht lange weg von der Spielerseite. Aber er hat seine Erfahrungen als Assistent von Kari Jalonen sicherlich sammeln können. Die Routine fehlt ihm zwar noch etwas, aber ich denke nicht, dass sich die beiden Trainer gegenseitig auscoachen werden. Schliesslich hat Peltonen bei Jalonen von einem der besten lernen können. Er wird sein Notizbuch sicherlich vollgeschrieben haben.
Neben den Halbfinals geht es ab Dienstag auch gegen den Abstieg. Hat man beim HC Davos den Ernst der Lage mittlerweile erkannt?
Nach der Platzierungsrunde ist das schwierig zu beantworten. Es ging für die 4 Teams ja um nichts. Der HCD und die Lakers mussten immerhin versuchen, die Form zu finden. Bei den Bündnern gab es dabei eher wieder eine Baisse. Aber ich würde das nicht überbewerten und gehe davon aus, dass man für den Abstiegskampf bereit ist. Man muss sich schon etwas umgewöhnen, wenn es plötzlich nicht mehr ums Gewinnen sondern gegen das Verlieren geht.
Für die Lakers ist die Situation etwas anders. Man wusste, dass es ein schweres Jahr wird. Nun hat man den Vertrag mit Coach Jeff Tomlinson frühzeitig verlängert. Wie schätzen Sie dies ein?
Es ist eine Wertschätzung für das, was Tomlinson in den letzten Jahren in Rapperswil geleistet hat. Der Coach war auch nicht das Problem in dieser Saison, für einen Aufsteiger ist es ja sowieso nie einfach. Man kann sein Team im April nicht mehr richtig verstärken. Tomlinson hat mit dieser Ausgangslage einen sehr guten Job gemacht. Und wenn er die Mannschaft nicht mehr erreichen würde, hätte man den Vertrag sicherlich nicht jetzt noch verlängert.
Das Interview führte Christian Aellen
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 23.03.2019, 19:45 Uhr