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Schladming 2013 Lindsey Vonn: Der Glückspilz-Pechvogel

Lindsey Vonn ist am Dienstag bei ihrem verheerenden Sturz im WM-Super-G der grosse Pechvogel gewesen. Dabei ist sie eigentlich der grosse Glückspilz in der Frauenskiszene, meint SRF-Kommentator Stefan Hofmänner.

Lindsey Vonn ist ein Glückspilz - und damit meine ich nicht ihre unzähligen Erfolge. Diese hat sich die Hochtalentierte mit extremem Ehrgeiz, bedingungslosem Willen und sehr viel Mut erarbeitet. Ein Glückspilz ist sie, weil sie oft schwer gestürzt ist und sich nie schwer verletzt hatte. Weil sie ausserdem noch viel öfter in extrem brenzligen Situationen haarscharf an einem Sturz vorbeigeschrammt war.

Es gibt das Beispiel aus der aktuellen Saison, als sie in Lake Louise in der Abfahrt in einer sehr schnellen Rechtskurve kurz im Schnee lag und im allerletzten Moment vor einem üblen Aufprall in den Hochsicherheitsnetzen wieder auf die Skikanten kam. Sie gewann anschliessend das Rennen. Das ist typisch. Wir haben in den letzten Jahren oft gesehen, dass dieser Flirt mit dem maximalen Risiko nicht nur gerade noch aufging, sondern auch in einem weiteren Sieg mündete.

Dunkle Vorahnungen seit Dezember

Aber es hat sich in mir schon länger das Gefühl breit gemacht, dass es irgendeinmal nicht mehr gut gehen und irgendeinmal das Glück aufgebraucht sein würde. Ich weiss, das lässt sich im Nachhinein leicht sagen, und man kann mir das glauben oder nicht. Aber dieses schlechte Gefühl hat sich seit letztem Dezember noch verstärkt.

Stefan Hofmänner kommentiert in Schladming und im Weltcup die Frauen-Rennen.
Legende: Experte Stefan Hofmänner kommentiert in Schladming und im Weltcup die Frauen-Rennen. SRF

Vonn war anders als die Jahre zuvor. Für mich ist sie einerseits ein Opfer der medialen Mühlen geworden, die einen Star ihres Formats noch so gerne zermahlen. Ob mittels einer alltäglichen Magenerkrankung, die zum globalen Thema wird, ob mit der unseligen Diskussion um die Teilnahme an einem Männerrennen, die auf einmal eine gewaltige Dynamik erhielt oder ob vermeintlichen oder tatsächlichen Affären und Depressionen.

Zu grosse Lockerheit?

Andererseits hat sie auch als Sportlerin ungewohnte Schwierigkeiten gehabt. Sie brauchte ein Time-Out, um sich ski- und materialtechnisch wieder auf den neusten Stand zu bringen. Sie, die in den Jahren zuvor den höchsten Stand definiert und vorgegeben hatte. Und schliesslich ging sie am Tag vor dem WM-Super-G mit Julia Mancuso im Tiefschnee Ski fahren.

Einen Tag vor dem Super-G-Rennen twitterte Lindsey Vonn ein Bild von sich im Tiefschnee.
Legende: Powder statt Training Einen Tag vor dem Super-G-Rennen twitterte Lindsey Vonn ein Bild von sich im Tiefschnee. Twitter

Diese Lockerheit zu einem so wichtigen Zeitpunkt ist typisch für Mancuso und völlig untypisch für Vonn. Die Ski-Königin der letzten Jahre war nicht mehr auf dem Weg, der sie so dominant gemacht hatte, auf dem sie unterwegs zu ihren grandiosen Erfolgen so viel Glück gehabt hatte.

Gestärkt zurück

Ich habe mal jemanden sagen hören, dass ein Schiff im Hafen zwar sicher sei, aber dass Schiffe dafür nicht gebaut seien. Vonn ist aufgebrochen zu neuen Ufern, das war mein Eindruck in diesem Winter. Sie wollte nach Jahren des sportlichen Weiterkommens auch menschlich neue Ufer erreichen. Gestern hat sie eines gefunden, das sie ganz bestimmt nicht gesucht hat. Aber, und das soll keinesfalls zynisch klingen, sie wird menschlich reicher aus dieser sehr bitteren und äusserst schmerzhaften Erfahrung hervorgehen.

Und wenn sie skifahrerisch stark zurückkehrt, dann wird das Kapitel am Dienstag nicht nur als ein schlechtes in ihre persönliche Geschichte eingehen. Sondern in die Geschichte von einem der grössten Glückspilze der Skigeschichte. Trotz des grossen Pechs im Super-G zum WM-Auftakt.

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