Bis vor kurzem blockte Andy Murray alle Fragen zur Jagd auf die Weltnummer 1 ab. Während insgesamt 221 Wochen hat sich Novak Djokovic auf dem Thron installiert. Letztmals war am 6. Juli 2014 mit Rafael Nadal (Sp) ein anderer als der Serbe die Weltnummer 1.
Doch nachdem Murray an der Spitze des ATP-Rankings innert einer Woche seinen Rückstand von 3695 auf 2415 Punkte verringern konnte, winkt auf einmal doch die Leaderposition. Und was macht der Schotte mit diesen Perspektiven vor Augen? Er winkt plötzlich nicht mehr ab.
Ich werde diese Chance möglicherweise nie mehr erhalten.
«Meine Aussichten sind mittlerweile intakt. Natürlich bin ich mir im klaren, wie schwierig diese Herausforderung sein wird. Aber ich glaube definitiv daran, es packen zu können», sagte der Olympiasieger nach dem Titel in Schanghai. Die starken letzten Wochen hätten ihn darin bestärkt.
Der 29-Jährige erklärt seinen Sinneswandel wie folgt: «Ich werde die Chance auf die Nummer 1 möglicherweise nie mehr erhalten. Also setze ich nun konsequent alles daran.»
Diese 4 Faktoren sprechen dafür, dass Murray bis zum Saisonende Djokovic als Spitzenreiter noch ablösen könnte. Damit würde dieser nicht wie 2011, 2012, 2014 und 2015 zum 5. Mal das Jahr als Nummer 1 beenden.
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1) Das Formhoch von Murray
Seit dem verlorenen French-Open-Endspiel Mitte Juni gegen Djokovic gewann Murray 5 von 7 Turnieren. Einzig an den US Open (Viertelfinal-Aus gegen Kei Nishikori) stand er nicht im Final. Der Brite steht in diesem Jahr bei 6 Titeln, er gewann noch nie mehr. -
2) Djokovic unter Zugzwang
Beim Gejagten dagegen verhält sich die Formkurve entgegengesetzt. Der «Djoker» baute nach einer herausragenden ersten Saisonhälfte merklich ab. Aus den letzten 20 Matches kassierte er 4 Niederlagen. Kommt dazu, dass nach einem lange komfortablen Polster der Druck höher ist und sich Djokovic aufgrund der letztjährigen Vorgabe kaum mehr Aussetzer erlauben darf. -
3) Paris-Bercy ist wegweisend
Murray könnte Djokovic bereits nach dem letzten ATP-1000-Turnier der Saison als Nummer 1 ablösen: Dann nämlich, wenn der Serbe bei Paris-Bercy nicht mindestens den Final erreicht und Murray gleichzeitig das Turnier gewinnt. Der Grund: Die Punkte für die ATP World Tour Finals fallen bereits am 7. November aus der Wertung, also bevor das Turnier in London (siehe Punkt 4) begonnen hat (ab 13. November). Im Extremfall könnte der Schotte also auch nur für zwei Wochen die Nummer 1 sein. -
4) Die ATP-Finals könnten einschenken
Murray, dessen Fahrplan noch 3 Turniere vorsieht, kann maximal 3000 Punkte sammeln. Sein grosser Vorteil: Am finalen Heimturnier in London muss er bloss 200 Punkte verteidigen, weil es für ihn im 2015 für den einen Gruppensieg lediglich 200 Zähler abwarf. Für Djokovic dagegen stehen bei seinen letzten beiden Einsätzen noch 2300 Punkte auf dem Spiel.
Der Saison-Schlussspurt im Vergleich
Maximale Ausbeute | Zu verteidigende Punkte | |
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NOVAK DJOKOVIC (ATP 1 / 12'900 Punkte) | ||
Wien | nicht gemeldet | 2015 nicht am Start |
Paris | 1000 Punkte | 1000 Punkte (Titel) |
London | 1500 Punkte | 1300 Punkte (Titel) |
ANDY MURRAY (ATP 2 / 10'485 Punkte) | ||
Wien | 500 Punkte | 2015 nicht am Start |
Paris | 1000 Punkte | 600 Punkte (Finalniederlage) |
London | 1500 Punkte | 200 Punkte (1 Gruppensieg) |
Sendebezug: Radio SRF 1, Mittagsbulletin, 16.10.2016, 12:40 Uhr