SRF Sport: Jim Courier, Rafael Nadal spielt hier um seinen sage und schreibe 11. French-Open-Titel. Wie verrückt hört sich das für Sie an?
Jim Courier: Es ist ja fast schon albern, dass Nadal diesen Titel – in einer Ära mit so vielen grossen Champions – bereits 10 Mal gewonnen hat. Die Tatsache, dass er als Top-Favorit um einen 11. Titel spielt, ist total irre.
Wie ist es möglich, dass Nadal auf Sand über all die Jahre so dominant auftreten kann?
In erster Linie verfügt er natürlich über ein riesiges Talent. Zudem ist die Unterlage wie für ihn gemacht, ja richtiggehend auf ihn zugeschnitten. Er kann auf Sand seine Stärken perfekt ausspielen.
Die grössten Chancen, Rafael Nadal zu bezwingen, hat meiner Meinung nach Novak Djokovic.
Gibt es jemanden, der ihn in diesem Jahr stoppen könnte?
Wenn, dann wahrscheinlich nur seine Gesundheit. Die Physis sehe ich eigentlich als einzigen möglichen Stolperstein. Er hatte in diesem Jahr schon mit der einen oder anderen Verletzung zu kämpfen. Aber wenn er fit und in Form ist, ist er hier natürlich der haushohe Favorit.
Es gibt also keinen Spieler, der ihm den 11. Titel streitig machen könnten?
Es gibt meiner Meinung nach nur ganz wenige Herausforderer. In der oberen Tableauhälfte sehe ich eigentlich einzig Juan Martin Del Potro, der ihm etwas wehtun könnte. In der unteren Hälfte gibt es natürlich Alexander Zverev, der in Rom schon nahe am Sieg war. Dominic Thiem traue ich über Best-of-Five den Coup eher weniger zu. Die grössten Chancen hat meiner Meinung nach Novak Djokovic. Er hat schon bewiesen, dass er es auf Sand mit Nadal aufnehmen kann.
Denken Sie, dass er in seiner jetzigen Form dazu im Stande ist?
Er wird sich auf jeden Fall steigern müssen. Seit er 2016 die French Open gewonnen hat und gleichzeitig alle Grand-Slam-Titel inne hatte, erreichte er sein Toplevel nie mehr. Sollte ihm dies hier gelingen, traue ich ihm sehr viel zu.
Der gegenseitige Respekt ist die Grundlage für die witzigen Gespräche.
Der grosse Abwesende in Paris ist Roger Federer. Können Sie seine Entscheidung, die Sandsaison auszulassen, nachvollziehen?
Es ist für alle enttäuschend, dass er nicht hier ist. Ich habe in einem Artikel eine Aussage von seinem Fitnesstrainer Pierre Paganini gelesen, wo er sagt, dass Roger auf Sand am meisten Probleme mit seinem Knie hat. Das fand ich sehr interessant. Meine Erfahrung ist, dass Sand dem Körper viel mehr verzeiht als alle anderen Unterlagen. Aber wenn Paganini das sagt, dann glaube ich ihm das natürlich zu 100 Prozent. Es lohnt sich unter diesen Voraussetzungen nicht, vor der Rasensaison ein zu grosses Risiko einzugehen. Roger ist für mich der grosse Favorit auf einen weiteren Wimbledon-Titel.
Sie pflegen eine spezielle Beziehung zu Federer. Ihre Platz-Interviews bei den Australian Open sind mittlerweile legendär. Weshalb stimmt die Chemie zwischen Ihnen so gut?
Ganz einfach: Roger macht es mir sehr leicht. Er ist offen, witzig und für fast jeden Spass zu haben. Gleichzeitig weiss er auch: Ich würde ihm nie eine Frage stellen, die zu weit geht. Im Gegenteil: Ich möchte den Spielern die Möglichkeit geben, ihre Persönlichkeit so authentisch wie möglich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Im Falle von Roger ist dieser gegenseitige Respekt die Grundlage für die witzigen Gespräche.
Welche Szene aus diesen Interviews ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ach, da gibt es unzählige. Die Momente, in denen er über Mirka und die Kinder spricht, sind die besten. Da öffnet er sich und gibt einiges preis. Das macht den «Superhero» Federer menschlich.
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 30.5.2018, 14:55 Uhr