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Rafael Nadal, Andy Murray, Novak Djokovic und Roger Federer.
Legende: Vierergespann Die «Big Four» wollen in Wimbledon den Titel. EQ Images

Grand-Slam-Turniere Die «Fantastic Four» und die Fragezeichen vor Wimbledon

Am kommenden Montag startet mit Wimbledon das dritte Grand-Slam-Turnier des Jahres. Einen klaren Favoriten gibt es dabei nicht. SRF-Kommentator Stefan Bürer schätzt die Ausgangslage vor dem Rasen-Highlight ein.

Resultate

Zunächst: es ist ja als Tennismensch nicht ganz einfach in diesen Tagen, sich Gehör zu verschaffen. Darum: Hallo! HALLO! Ja, es gibt auch Rasensport, bei dem sich niemand schmerzverzerrt auf dem schönen Grün wälzt, bei dem das Wort «Torlinientechnologie» statt ungläubigem Staunen nur ein müdes Lächeln auslöst und bei dem die Spieler gebührenden Abstand voneinander halten, ohne dass ihnen jemand Schaum auf die Füsse sprayt.

Wimbledon so offen wie noch nie?

Am Montag also startet Wimbledon. Die Ausgabe 2014 sei – so habe ich gelesen - so «offen wie noch nie». Nun ja, Medien brauchen bekanntlich Schlagzeilen. Und, zugegeben, es tönt schon gut: «so offen wie noch nie». Nüchtern betrachtet ist das allerdings eine eher grosszügige Auslegung der Sachlage. Denn Fakt ist: die vier Topanwärter auf den Titel heissen Djokovic, Nadal, Murray und Federer. In dieser Reihenfolge, sowohl in der Setzliste als auch bei den Buchmachern (und bei denen haben diese vier übrigens einen Riesenabstand zum Rest des Feldes).

Einer dieser vier müsste also Wimbledon gewinnen, alles andere wäre eine riesige Überraschung. Nur: welcher der vier wird es denn sein? Und da kommt das «offen wie noch nie» eben doch wieder ins Spiel. Denn bei jedem der «fantastic four» gibt es durchaus berechtigte Zweifel. Mehr als auch schon.

Djokovic und die Final-Schwäche

Djokovic? Der Serbe hat sich für 2014 Boris Becker ins Team geholt, um in den grossen Matches mental stärker zu sein. Der Effekt ist bescheiden: Out im Viertelfinal in Australien, Niederlage im Final von Roland Garros. Von den letzten sechs Majorfinals, die er bestritt, verlor er deren 5! Meist ist er zwar einigermassen locker in die Finals marschiert, um dann im wichtigsten Match zu scheitern. Und trotzdem würde ich nicht gegen Djokovic setzen. Der (selbstgemachte) Druck ist kleiner als in Paris. Dort musste er gewinnen (und schaffte es wieder nicht), in Wimbledon darf er gewinnen.

Nadal und die Krux mit dem Rasen

Nadal? Seit dem (gegen Djokovic verlorenen) Wimbledonfinal 2011 hat er auf Rasen ganze 6 Matches gespielt und 4 davon verloren. Im letzten Jahr unterlag er in Wimbledon einem gewissen Steve Darcis in Runde 1 und bewegte sich dabei extrem schlecht. Nach dem Final von Paris vor 2 Wochen wurde er von Krämpfen geschüttelt und konnte sich kaum noch rühren. Einmal mehr stellt sich bei ihm die Frage nach der körperlichen Verfassung, zumal auf Rasen, der für lädierte Knie und fragile Rücken alles andere als förderlich ist. Trotz alledem würde ich nie gegen Nadal wetten, denn keiner verkörpert den alten Spruch besser als er: wo ein Wille, da auch ein Weg.

Murray und die fehlende Konstanz

Murray? Seit der Rückenoperation im letzten Herbst hat er kein Turnier mehr gewinnen können. Der Schotte brilliert immer wieder mit einzelnen guten Matches, was ihm fehlt, ist die Konstanz (und der Grund dafür ist vielleicht der Rücken, der nicht mehr jeden Tag alles mitmacht). In Paris spielte er ab Runde 2 und bis und mit Viertelfinal das beste Tennis seit seiner Zwangspause, im Halbfinal war er gegen Nadal dann absolut chancenlos. Aber: Murray ist der Titelverteidiger, er spielt zuhause (nun ja, beinahe) und er ist ihn los, den «monkey on his back», wie die Engländer sagen: er hat im Vorjahr dem Druck standgehalten und als erster Brite seit Fred Perry 1936 Wimbledon gewonnen.

Federer und die schwankende Form

Federer? Begann 2014 stark, spätestens seit der Babypause schlichen sich allerdings wieder ein paar Schwächen und damit auch Zweifel ins Spiel des Maestro. Das gilt auch für das Turnier in Halle. Trotzdem gewann er es und das ist ein gutes Zeichen. Sollte er gut durch die erste Woche in Wimbledon kommen, wird mit ihm zu rechnen sein. Wer den 7-fachen Wimbledon-Sieger nicht zumindest zum erweiterten Favoritenkreis zählt, gehört entweder zum Kreis der Federer-Hasser, ist ein beratungsresistenter Online-«ich-finde-er-muss-endlich-zurücktreten»-Kommentator oder gehört zu denen, die glauben, Rasensport finde derzeit ausschliesslich in Brasilien statt.

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