Juri Milner hat eine Mission: Er will Forscher zu Helden machen. Nur wenn die Wissenschaft Helden vorzeigen könne, lasse sich die Kluft zwischen Öffentlichkeit und Forschung schliessen, glaubt der russische Geschäftsmann.
Preise für VIPs
Nun ist Milner nicht irgendein Geschäftsmann, sondern einer der reichsten Männer der Welt, dank Investitionen in Facebook und andere Firmen im Silicon Valley. Entsprechend geht Milner seine Mission mit viel Geld an. 27 Millionen US-Dollar hat er im letzten Sommer aufgewendet, um seinen eigenen Forschungspreis zu lancieren: den Fundamental Physics Prize. Auf einen Schlag zeichnete er neun theoretische Physiker aus, mit je drei Millionen Dollar Preisgeld. Deutlich mehr als es beim Nobelpreis zu gewinnen gibt.
Der breiten Öffentlichkeit sind die ersten neun Gewinner wohl kaum bekannt. Innerhalb ihres Fachs aber sind sie allesamt VIPs. Die Preisträger sind nun am Mittwochabend in Genf in einer Zeremonie geehrt worden. Gleichzeitig bildeten sie die Jury für die Vergabe des diesjährigen Fundamental Physics Prize. Er geht an Alexander Polyakov, ebenfalls ein Schwergewicht der theoretischen Physik.
Kritik aus der Fachgemeinde
Polyakov und seine Kollegen sind nun mit einem Mal Millionäre. Sie müssen das Preisgeld nicht für Forschungszwecke aufwenden, sondern dürfen es für sich ganz privat verbrauchen. Das hat in der Gemeinde der Physiker zu Diskussionen geführt. Was soll so ein Preis, wenn er nicht der Forschung dient? Kann er nachhaltig wirken? Und ist es gerecht, einzelne Individuen auszuzeichnen, wo die Forschung doch so oft auf Teamarbeit basiert?
Diese Kritik perlt an Milner ab. Für ihn geht es darum, die harte intellektuelle Arbeit einzelner Physiker auszuzeichnen und für eine breite Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Er biete der theoretischen Physik mit seinem Preis lediglich die Plattform, auf der sie sich darstellen könne, sagt er im Gespräch.
Der Anlass in Genf lässt allerdings starke Zweifel daran aufkommen, ob das tatsächlich funktionieren kann. Viele der Preisträger fühlten sich sichtlich unwohl auf der Bühne und in ihrer Rolle als «Helden» im Frack. Andere taten sich schwer, ihre komplizierte Arbeit in einfachen Worten auf den Punkt zu bringen. Die meisten Lacher verzeichnete der Gastgeber des Abends, Morgan Freeman – seines Zeichens Hollywoodstar und nicht Physiker.
Theorie statt Experiment
Kritik war in Genf auch deshalb zu hören, weil der neue Preis explizit auch für Theorien vergeben werden kann, die durch keinerlei Experimente untermauert sind – für Luftschlösser, könnte man zugespitzt sagen. Das ist ganz anders als beim Nobelpreis, den Theoretiker nur verliehen bekommen, wenn ihre Theorien experimentell bestätigt sind.
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Eine solche noch nicht bestätigte Theorie ist die String-Theorie, der sich viele der Preisträger in ihrer Arbeit widmen. Sie versuchen, den Urknall besser zu verstehen, jene Anfangsphase unseres Universum, in der die ganze Materie extrem dicht zusammengeballt war. Direkt nachweisen lassen sich die Effekte der String-Theorie derzeit nicht: Keine Maschine der Welt kann die dafür nötigen hohen Energien erzeugen. Deshalb haben String-Theoretiker in näherer Zukunft wahrscheinlich auch keine Chance, den Nobelpreis zu gewinnen. Für sie ist der Fundamental Physics Prize eine grosse Anerkennung – und eine Art Trostpflaster. Entsprechend erfreut zeigten sich die Gewinner in Genf.
Preise auch für das Cern und Stephen Hawking
Doch auch sie anerkennen, dass es in der Physik nicht ohne Experimente geht. Deshalb haben sie den Physikern des Teilchenphysik-Laboratoriums Cern dieses Jahr einen Spezialpreis zugesprochen für die Entdeckung des sogenannten Higgs-Teilchens. Das Higgs-Teilchen wurde vor rund 40 Jahren vorhergesagt, um zu erklären, wie die anderen Elementarteilchen zu ihrer Masse kommen.
Geehrt wurden mit dem Preis nun die früheren und derzeitigen Sprecher der beiden grossen Experimente am Cern – Atlas und CMS – sowie der Leiter des grossen Beschleunigers «Large Hadron Collider». Auch sie könnten das Geld für sich behalten, werden dem Vernehmen nach aber einen Grossteil für die Forschung am Cern einsetzen. In ihren Dankesreden betonten sie alle, wie wichtig die Tausenden von Kollegen am Cern für ihre Arbeit seien.
Die Auszeichnung fürs Cern hat dem neuen Physik-Preis sicherlich zu mehr Akzeptanz in der Forschergemeinde verholfen. Das Gleiche gilt für den zweiten Sonderpreis, der dem wohl berühmtesten Physiker der Welt, dem Briten Stephen Hawking, in Genf für sein Lebenswerk verliehen wurde. Will sich ein neuer Forschungspreis etablieren, muss er mit solchen Namen protzen können. Das wissen auch Juri Milner und die Jury. Im Moment macht der neue Preis also noch keine Helden. Viel eher leiht er sich Glanz und Glamour von jenen Physikern, die bereits Helden sind.