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Cholesterinsenker – Statine bald für alle und jeden?
Aus Puls vom 08.05.2017.
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Gesundheit Cholesterinsenker – Nehmen zu viele Menschen Statine?

Rund 760‘000 Menschen in der Schweiz nehmen Statine ein, doch nur etwa ein Viertel schluckt die Cholesterinsenker als Therapie nach einem Infarkt. Rund 570‘000 Menschen bekommen die Medikamente als reine Prävention verschrieben, um so einen Herzinfarkt möglichst von vornherein auszuschliessen.

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Cholesterin senken oder nicht?
aus Ratgeber vom 08.05.2017. Bild: colourbox.com
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Erhöhtes LDL-Cholesterin kann zu Ablagerungen in den Adern und zu Herzinfarkt und Hirnschlag führen. Studien haben eindeutig ergeben, dass ein oberer Grenzwert von 4.9 mmol/l LDL-Cholesterin deshalb nicht überschritten werden sollte.

Risikofaktoren

Der durchschnittliche LDL-Cholesterin-Wert eines gesunden Menschen in der Schweiz liegt bei ungefähr 3.4 mmol/l. Doch neben dem Cholesterin selber spielen eine Reihe weiterer Faktoren eine Rolle.

So haben Männer ab 60 ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden als Frauen. Kommen ein erhöhter Blutdruck dazu und / oder ein zu niedriger HDL-Cholesterinwert, im Volksmund auch als das gute Cholesterin bezeichnet, steigt das Risiko entsprechend an. Vor allem männliche Raucher im höheren Alter sind gefährdet.

Risikorechner «Agla»

Aus diesen Faktoren wurden international unterschiedliche Risikoberechnungen und Richtlinien erarbeitet. In der Schweiz ist der gebräuchlichste der Agla-Rechner.

Der Arzt kann die Daten eingeben, ein Algorithmus berechnet sie und heraus kommt ein Wert, der das Risiko berechnet, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder eine anderes tödliches oder nichttödliches kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden.

  • Tiefes Risiko: 1 bis 10 Prozent
  • Mittleres Risiko: 10 bis 20 Prozent
  • Hohes Risiko: 20 und 30 Prozent
  • Sehr hohes Risiko: über 30 Prozent.

Viele Ärzte empfehlen bereits ab einem mittleren Risiko von 10 Prozent eine medikamentöse Therapie. Also genau für die grösste Gruppe: Die meisten Menschen haben ein Risiko zwischen 1 und 20 Prozent und wären demnach geeignete Statin-Kandidaten.

Doch just für diese Kategorie fehlt es an eindeutigen, guten Studien, die belegen, dass sich Todesfälle und auch nichttödliche Ereignisse durch einen Infarkt nachhaltig vermeiden lassen. Das ist das Eine.

Das Andere ist die Frage, was so ein «mittleres Risiko» überhaupt konkret bedeutet:

Was bedeutet «mittleres Risiko»?

Beispiel: Bei einem Risiko von 15 Prozent erleiden im Verlauf von zehn Jahren 15 von hundert Menschen statistisch gesehen einen Infarkt. Das sind, auf das Jahr umgerechnet, 1,5 Menschen pro Jahr.

Nehmen diese hundert Personen Statine ein, kann sich ihr Risiko im besten Fall um bis zu 30 Prozent verringern.

Das heisst: Statt 15 Personen erleiden im Verlauf der nächsten 10 Jahre 4 bis 5 weniger einen Infarkt, also noch etwa 10 bis 11 Stück.

Mit anderen Worten: Es müssen sehr viele Menschen täglich über viele Jahre Tabletten schlucken, damit ein paar wenige länger keinen Herzinfarkt oder Hirnschlag bekommen. Und da Statine nur wirken, solange man sie auch schluckt, müssen sie bis ans Lebensende eingenommen werden.

Zudem können Statine bei einem von zehn Menschen zu unangenehmen Muskelbeschwerden führen. Das mag zwar eine geringe Nebenwirkung sein, doch wen es trifft, der hat keine Freude mehr an sportlicher Betätigung.

Lebensstil erspart oft Medikamente

Gut 70 Prozent des Cholesterins werden in der Leber produziert, es ist also sozusagen genetisch vorgegeben. Die restlichen 30 Prozent aber lassen sich durch eine gute Lebenshaltung beeinflussen. Ein Rauchstopp, regelmässige Bewegung (mindestens 30 Minuten täglich) und eine ausgewogene Ernährung (Olivenöl, Fisch, ausreichend Gemüse und Früchte) können in vielen Fällen bei einem leicht erhöhten Risiko mehr erreichen, als jedes Statin – und spart dem Gesundheitswesen zudem erhebliche Kosten.

Wichtig: Eine Statin-Therapie sollte nicht einfach von sich aus abgebrochen werden. Wer unsicher ist, ob er sie zu Recht verschrieben bekommen hat, bespricht das Ganze am besten mit seinem Hausarzt.

Hinter einem erhöhten Wert von über 4,9 mmol/l könnte eine familiäre Prädisposition stehen. Wichtiges Indiz: Ein Familienangehöriger ersten Grades, der vor seinem 65. Geburtstag an einem Infarkt gestorben ist. Ob sich diese Veranlagung auch tatsächlich weitervererbt hat, kann mit einem Gentest abgeklärt werden.

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