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Blick in eine Pathologieabteilung, wo ein Mann in weisser Kleidung eine Trage in einen Kühlraum schiebt.
Legende: Klinische Autopsien werden von Pathologen durchgeführt. Bei Verdacht auf eine Straftat kommen Gerichtsmediziner zum Zug. imago
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Leichenmangel Immer weniger Autopsien in der Schweiz

Wer «Autopsie» hört, denkt an Krimis und Gewaltverbrechen. Viel häufiger geht es aber darum, offene Fragen nach dem natürlichen Tod zu klären. Autopsien helfen den Angehörigen, dienen der Medizin – und werden heute deutlich seltener vorgenommen als noch vor 20 Jahren.

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Leichenmangel im Medizinstudium
aus Kultur kompakt vom 13.04.2015.
abspielen. Laufzeit 10 Minuten 11 Sekunden.

Stirbt ein Mensch, gibt die äussere und innere Leichenschau zuverlässig Gewissheit über die Todesursache. Vor 20 Jahren wurden in der Schweiz jährlich 8000 Autopsien durchgeführt, heute noch knapp ein Viertel davon.

Als Grund machen Experten den in immer mehr Kantonen vollzogenen Wechsel von der Widerspruchs- zur Zustimmungslösung aus: Mussten sich Patienten früher noch aktiv gegen eine Autopsie aussprechen, ist es heute an den Ärzten, die Erlaubnis vorab beim Patienten oder später von seinen Angehörigen einzuholen. Offenbar sprechen sich Angehörige im Zweifelsfall eher dagegen aus.

Keine Wahl besteht allerdings, wenn die Strafverfolgungsbehörden eine Autopsie anordnen oder wenn der Verdacht auf eine Krankheit besteht, die eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Hier haben die Angehörigen keinen Einfluss.

Vielfältiger Nutzen

Eine Autopsie oder auch Obduktion oder Sektion bringt dem Verstorbenen selber nichts mehr, liefert aber den Angehörigen, dem Spital und nicht zuletzt der Medizin überhaupt wertvolle Informationen.

  • Angehörige erhalten Aufschluss über die Todesursache, allfällige weitere Erkrankungen und vorliegende oder ausgeschlossene Erbkrankheiten. Die Erkenntnisse helfen bei Trauerarbeit wie Familienplanung und können zur Klärung von Versicherungsfragen bei Berufs- oder unfallbedingten Erkrankungen beitragen.
  • Für das Spital stellt eine Autopsie eine Qualitätskontrolle der ärztlichen Massnahmen dar, die anderen Patienten mit ähnlichen Leiden zugute kommt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Diagnose lässt sich überprüfen, allfällige Behandlungs- oder Operationsfehler kommen ans Licht.
  • Die Medizin verdankt die Entdeckung vieler «neuer» Erkrankungen der Autopsie. Heutzutage profitiert davon zum Beispiel besonders die Alzheimerforschung. Auch im Medizinstudium, bei der Ausbildung von Assistenzärzten, Fachpathologen und Fachärzten anderer Disziplinen spielt sie eine wichtige Rolle.

Durch die Untersuchung nicht entstellt

Bei einer Autopsie wird eine eingehende äussere und innere Untersuchung des Verstorbenen vorgenommen. Ähnlich einer grossen Operation wird der Leichnam geöffnet, anschliessend werden alle oder auch nur einzelne Organe von blossem Auge beurteilt und kleine Gewebeproben entnommen, die unter dem Mikroskop untersucht werden. Dabei auftauchende Fragen können durch weitere Untersuchungen geklärt werden.

Eine Autopsie dauert in der Regel zwei bis drei Stunden. Nach ihrem Abschluss wird der Körper wieder wie nach einer Operation verschlossen – einem Abschied am offenen Sarg steht nichts im Wege.

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