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Kritik am Theater Neumarkt ist nun auch Thema bei der Politik
Aus Kultur-Aktualität vom 22.04.2024. Bild: Keystone/Christian Beutler
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Debatte läuft weiter Antisemitismus-Vorwürfe: Theater Neumarkt kommt nicht zur Ruhe

Das Theater hat die schweren Anschuldigungen extern prüfen lassen. Das Ergebnis: ein gutes Zeugnis, aber keine Klärung.

Was ist passiert? Der Schauspieler Yan Balistoy wirft dem Theater Neumarkt vor, ihn diskriminiert zu haben, weil er Israeli ist. Jetzt hat ein Anwaltsbüro das Arbeitsklima am Haus untersucht und dem Neumarkt ein gutes Zeugnis ausgestellt: Von Antisemitismus und Diskriminierung sei nichts zu bemerken. Den konkreten Fall Balistoy hat die Untersuchung jedoch ausgeklammert. Diesen müsste gegebenenfalls ein Gericht beurteilen. Nun intervenieren politische Stimmen, das Theater habe die Hausaufgaben nicht gemacht.

Wer ist Yan Balistoy?

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Yan Balistoy hat philippinische und israelische Wurzeln. Er wuchs im Kibbutz Dafna in Israel auf und studierte Schauspiel an der ZHdK. Neben Engagements an Schweizer Theatern war er unter anderem in der deutschen Krimi-Serie «Der Alte» zu sehen.

Am Theater Neumarkt war er unter anderem im Solo-Stück «Park» und in «Multi Verse» von der israelisch-persischen Regisseurin Orly Noa Rabinyan zu sehen.

Balistoy ist Gründer von «Faire Bühne», einer Interessengemeinschaft, die gemäss seiner Webseite «Machtmissbrauch an Schweizer Bühnen vertraulich und unabhängig auffängt».

Was wirft Yan Balistoy dem Theater konkret vor? Das Theater habe den Schauspieler diskriminiert, indem es ihn nicht gleichzeitig mit einer Kollegin aus dem Libanon besetzt habe. Im Dezember beklagte Balistoy in einem offenen Brief, dass er nur bei der Hälfte aller Stücke eingesetzt werde. Der Grund: Seine libanesische Schauspielkollegin fürchtet um ihre Sicherheit, wenn bekannt wird, dass sie mit einem Israeli zusammenarbeitet. Das Theater reagierte darauf, indem es die beiden nicht mehr gemeinsam auftreten liess.

Woher rühren die Befürchtungen der Schauspielerin? Der Hintergrund ist ein libanesisches Boykottgesetz gegen Israel. Als Balistoy vor zweieinhalb Jahren engagiert wurde, hat die Libanesin die Theaterleitung darauf aufmerksam gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits im Ensemble. Darauf hat das Theater diese Kompromisslösung gefunden, die dann zwei Spielzeiten lang gegolten hat.

Aussenansicht des Zürcher Theater Neumarkt mit abgestellten Fahrrädern
Legende: Welche Konsequenzen wird das Theater Neumarkt aus dem aktuellen Fall ziehen? Die weltpolitische Realität fordert grosse Sensibilität von Seiten der Theaterleitung. Keystone / Christian Beutler

Beugt sich das Zürcher Theater einem libanesischen Gesetz? So wird das Dilemma von Aussen bisweilen polemisch zugespitzt. Laut Theaterexperte Andreas Klaeui sei es allerdings normal, dass im Theater nicht immer alle Ensemblemitglieder in jeder Produktion beteiligt sind. Eine 100-Prozent-Anstellung bedeute nicht, dass jemand in 100 Prozent der Inszenierungen mitwirkt. Insofern erscheint ihm dieses Jonglieren – sofern es ausgewogen ist – eigentlich als pragmatische Notlösung. Zudem müssen die Drohungen aus dem Libanon ernst genommen werden. Das zeigen weitere Fälle.

Auf weltpolitische Realitäten wie diese müssen Theaterleitungen reagieren – auch in der Schweiz. Sie haben eine Fürsorgepflicht ihren Angestellten gegenüber und dürfen sie weder diskriminieren noch leichtfertig einer Gefahr aussetzen.

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Untersuchung sieht keine Diskriminierung im Theater Neumarkt
aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 11.04.2024. Bild: Keystone SDA / Christian Beutler
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Wie beurteilt der Theaterexperte die schwierige Lage? «Es ist stossend, dass sich ein Zürcher Theater dem Druck aus dem Libanon beugen muss. Insofern ist die öffentliche Debatte darüber auf jeden Fall wichtig», sagt Andreas Klaeui. Diesen Kampf allerdings auf dem Kopf einer Zürcher Schauspielerin und ihrer Familie im Libanon auszutragen, könne nicht die Lösung sein. Es sei ein klassisches Dilemma – wie es in vielen Theaterstücken verhandelt wird. «Aber hier handelt es sich nicht um ein Planspiel. Hier ist die Tragödie real, und es ist ein Dilemma, aus dem es keinen befriedigenden Ausweg gibt.»

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 22.4.2024, 17:10 Uhr;

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