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Militärhistoriker Reisner zur Lage der Ukraine
Aus 10 vor 10 vom 09.05.2024.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 11 Minuten 13 Sekunden.

Krieg in der Ukraine Zuversicht in Russland – Zaudern im Westen

Der österreichische Militärexperte und Historiker Markus Reisner sieht die Ukraine im Abnutzungskrieg gegen Russland zunehmend im Hintertreffen. Auch weil der Westen zaudere und zu wenig bereit sei, militärische Opfer zu bringen. Dadurch könne Russland auf Zeit spielen, wie er im Interview erklärt.

Markus Reisner

Markus Reisner

Militärhistoriker

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Markus Reisner ist ein österreichischer Offizier (Oberst) und Militärhistoriker. Er ist Leiter des Instituts für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wien.

SRF News: Wie schätzen Sie die Lage derzeit ein?

Markus Reisner: Wir sehen in der Ukraine einen Abnutzungskrieg, es ist ein Kampf von Ressourcen auf beiden Seiten. Wir sehen Russland mit seinem militärisch-industriellen Komplex, der nach wie vor in der Lage ist, Dinge zu produzieren – unterstützt von Staaten im Hintergrund wie China, Indien.

Die Ukraine ihrerseits ist bereits schwer angeschlagen, weil der eigene militärisch-industrielle Komplex nicht auf diesem Niveau produzieren kann. Vor allem fehlt es an genügend Kompensation durch den Westen. Es wird zwar geliefert, aber immer nur so viel, dass die Ukraine in der Lage ist zu kämpfen, also dagegenzuhalten, aber nicht, dass sie in der Lage ist, auch zu siegen. Das alles stimmt einen pessimistisch.

Im Westen haben wir eher post-heroische Gesellschaften. Das eigene Wohlbefinden steht an erster Stelle.

Sie sprechen von einem «Zaudern» des Westens. Und in diesem Zusammenhang auch von heroischen Gesellschaften wie Russland oder der Ukraine und von post-heroischen wie in Europa. Was meinen Sie damit?                

Wenn man sich ansieht, was es bedeutet, einen Krieg zu führen, so ist klar, dass vor allem die Gesellschaft dahinterstehen muss. Und wir haben die Situation, dass wir in der Ukraine und in Russland heroische Gesellschaften haben, also Gesellschaften, die bereit sind, ein Opfer zu bringen, insbesondere auch ein militärisches. 

Im Westen haben wir eher post-heroische Gesellschaften. Das eigene Wohlbefinden steht an erster Stelle und nicht die Frage: Was würde ich tun im Falle eines militärischen Angriffs? Das mag jetzt vielleicht sehr pathetisch klingen, aber faktisch ist es der Fall. Kürzlich gab es in Österreich eine Umfrage der Universität Innsbruck. Gefragt wurde: Wären Sie bereit, mit der Waffe in der Hand Ihr Land zu verteidigen? Gerade mal 14 Prozent wären dazu bereit.

Und wie interpretieren Sie das?

Daran erkennt man, dass die Bereitschaft, ein militärisches Opfer zu bringen, im schlimmsten Fall das eigene Leben, gering ist. Es bedeutet aber auch, dass man sehr wenig bereit ist, auf das eigene Wohlbefinden, auf den eigenen Wohlstand zugunsten eines Staates zu verzichten, der die Unterstützung braucht. In diesem Fall zugunsten der Ukraine.

Je grösser das Zaudern im Westen, desto grösser die Zuversicht des russischen Regimes, diesen Konflikt für sich entscheiden zu können.

Und wie wirkt sich das auf den Krieg in der Ukraine aus?                

Je grösser das Zaudern im Westen, desto grösser die Zuversicht des russischen Regimes, diesen Konflikt für sich entscheiden zu können. Das sieht man eindeutig. Putin hat vor kurzem gesagt, nur weil die Ukrainer jetzt Probleme mit Waffenlieferungen und Munition hätten, müsse Russland nicht verhandeln. Und das bringt es aus meiner Sicht auf den Punkt. Russland setzt auf die Zeitachse. Man sitzt das aus, man beobachtet die Verhandlungen, die Diskussionen, das Zaudern im Westen und denkt sich: Unsere Verluste nehmen wir in Kauf. Wir warten einfach noch ein paar Monate, möglicherweise Jahre, und dann wird uns dieser Sieg in die Hände fallen.

Das Gespräch führten Christof Franzen und Peter Balzli.

Krieg in der Ukraine

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10vor10, 9.5.2024, 21:50 Uhr ; 

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