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Heike Dorsch über ihre Selbstbefreiung
Aus Kultur Extras vom 04.02.2015.
abspielen. Laufzeit 53 Sekunden.
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Film & Serien Das Paradies, das zur Hölle wurde

Fast vier Jahre lang segeln Heike Dorsch und Stefan Ramin um die Welt. Was als Traum beginnt, endet in einem Albtraum: Heike Dorsch entkommt nur knapp dem Tod, ihr Freund wird ermordet. Nun ist die wahre Geschichte verfilmt worden – für die Überlebende ein weiterer Schritt in der Aufarbeitung.

«Du stirbst jetzt.» Heike Dorsch blickt in einen Gewehrlauf. Die 37-Jährige reisst diesen reflexartig hoch und schreit: «Nein!» Nach einer Rangelei fesselt der Einheimische Henri Arihano Haiti die Deutsche an einen Baum, belästigt sie sexuell, würgt sie. Warum er sie nicht sofort tötet, bleibt Spekulation. Wie so vieles.

Dem Tod nur knapp entronnen

Am Nachmittag hatte sich ihr Lebenspartner aufgemacht, mit Arihano Haiti wilde Ziegen zu schiessen. Doch statt Stefan stand plötzlich der Jäger auf dem Boot. «Stefan», sagt er. «Verletzt … Unfall ... Wald.» Arihano lockte Heike an Land, in den Dschungel, um sie zu töten.

Doch Heike Dorsch kann sich befreien. Flieht in die Bucht, in der der Katamaran, auf dem sie und ihre grosse Liebe Stefan Ramin um die Welt segeln, ankert. Mit letzter Kraft rettet sie sich auf die weit dahinter liegende Segelyacht befreundeter Holländer. Geschockt, doch in Sicherheit, ahnt sie nicht, welches Ausmass ihr Trauma annehmen wird.

Drei Tage später, am 12. Oktober 2011, entdecken Ermittler eine Feuerstelle mit verkohlten menschlichen Überresten. Eine DNA-Analyse sowie Zähne, die gefunden werden, bestätigen: Stefan Ramin ist tot. Er wurde erschossen und verbrannt.

Schreiben hilft bei der Verarbeitung

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Heike Dorsch muss ihre Geschichte erzählen
Aus Kultur Extras vom 04.02.2015.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 8 Sekunden.

Heike Dorsch kehrt nach Deutschland zurück. Nach Würzburg, wo ihre Familie lebt. Schon bald fasst sie den Entschluss, mit ihrer dramatischen Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie gibt Interviews, schreibt ein Buch, stellt sich unentwegt der Vergangenheit. Es ist ihre Art, mit dem Unfassbaren umzugehen.

2014 veröffentlicht sie einen Bildband mit Fotos, die an die schönen Momente der Reise erinnern. Dorsch: «Die Bücher waren wirklich Verarbeitung für mich. Erst waren es nur Wörter, dann kamen die Bilder dazu. Und der dritte Schritt ist jetzt der Film.»

Der Film über das Leben danach

Gedreht wurde der ZDF-Fernsehfilm «Blauwasserleben» auf der Inselkette Hawaii, die Nuku Hiva ähnlich sieht. Heike Dorsch war auf dem Set mit dabei. Ein weiterer Schritt in der Trauma-Verarbeitung. «Während die den Film gedreht haben, habe ich meine eigenen Bilder gesehen, meine Geschichte», sagt Dorsch. «Da wurde ich natürlich wieder stark zurückgeworfen in das, was tatsächlich passiert ist. Doch man wurde immer wieder ins Jetzt katapultiert. Dieses Hin und Her war verarbeitungstechnisch schon irre.»

Buchhinweis

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Heike Dorsch: «Blauwasserleben.» Piper, 2012.

Der Fernsehfilm ist keine 1:1-Adaption der 2012 niedergeschriebenen Erinnerungen. Im Gegenteil. Er erzählt über weite Strecken Heike Dorschs Leben danach; die Begegnungen und Auseinandersetzungen mit der Familie und einer Meute von Journalisten.

Die Ereignisse des 9. Oktober 2011 werden in kurzen Sequenzen als Rückblenden eingestreut und dramaturgisch geschickt mit der Trauma-Verarbeitung verwebt. Hervorragend: der Cast. Die Schauspielerin Stefanie Stappenbeck spielt die Hauptrolle so einfühlsam und ohne aufgesetztes Pathos, dass die Figur mit der Person Heike Dorsch fast zu verschmelzen scheint.

Flucht aus eigener Kraft

Filmpremiere

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Der deutsche Fernsehfilm «Blauwasserleben» (Regie: Judith Kennel) wird erstmals am Sonntag, 15. März 2015, um 20.15 Uhr auf ZDF ausgestrahlt. Ein Bericht über die Verfilmung findet sich in der ZDF-Mediathek.

Trifft man Heike Dorsch heute, wird schnell klar: Diese Frau hat einen unbändigen Willen voranzuschreiten, die Opferrolle weit hinter sich zu lassen, niemals aufzugeben. Dass sie die Kraft hatte, ihr Trauma derart offensiv anzugehen, bringt die heute 40-Jährige mit ihrer Flucht in Zusammenhang. Dorsch: «Meine Psychologin hat mir damals erklärt, wenn man sich selber befreit, ohne fremde Hilfe, kann es sein, dass man aus so einer schrecklichen Erfahrung gestärkt hervorgeht.»

Ihren Traum vom Blauwasserleben habe sie zum Glück gelebt. Einen neuen hat Heike Dorsch noch nicht gefunden.

Arihano Haiti wurde zu 28 Jahren Gefängnis verurteilt. Warum er Stefan Ramin umgebracht hatte und was am 9. Oktober 2011 wirklich passierte, ist bis heute unklar.

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