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Gesellschaft & Religion Auf der Suche nach einer zeitgemässen Nationalhymne

Es ist Zeit für eine neue Nationalhymne – das findet die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft. Das finden aber auch verschiedene Kulturschaffende. Zum 1. August: Vorschläge für einen neuen Schweizerpsalm.

Schweizer Landeshymne

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Erste Strophe:

Trittst im Morgenrot daher,

Seh' ich dich im Strahlenmeer,

Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!

Wenn der Alpenfirn sich rötet,

Betet, freie Schweizer, betet!

Eure fromme Seele ahnt

Eure fromme Seele ahnt

Gott im hehren Vaterland,

Gott, den Herrn, im hehren Vaterland.

Die ganze Hymne gibt es hier.

Die Melodie mag vielen gefallen, anders der Text: Die aktuelle Nationalhymne ist einigen zu religiös, anderen zu altbacken, zu unverständlich, zu nationalistisch. Nicht mehr zeitgemäss, sagt auch die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, die an einem neuen Schweizerpsalm arbeitet.

Kulturschaffende teilen diese Meinung – etwa der Autor und Slam-Poet Jürg Halter: «Sie ist schon längst in mir verklungen.» Und der Tessiner Romancier und Lyriker Giovanni Orelli sagt: «Dieser Text spricht höchstens einen Katholiken an, der Gott bittet, seine Heimat zu beschützen.» Auch die Sängerin und Musikerin Erika Stucky sowie der Genfer Schriftsteller Daniel De Roulet meinen: Eine neue Hymne muss her!

Die vier präsentieren je einen zeitgemässen Hymnenvorschlag, der die heutige Schweiz repräsentieren soll. So gleich die Mission, so verschieden ihre Vorschläge: Vom Tränen rührenden Jodel bis zum Vorschlag, mehrere neue Hymnen zu schreiben.

Heimweh bis in die Knochen

«Als Musikerin lernt man ständig neue Hymnen kennen», sagt Erika Stucky. Sie habe etwa 15 verschiedene Hymnen aus aller Welt im Kopf, wenn auch nicht vollständig. Der Text der Schweizer Hymne habe sie nie zu Tränen gerührt – für Stucky ein wichtiges Kriterium einer guten Landeshymne. «Man sollte Heimweh kriegen bis in die Knochen. Jeder sollte denken: Oh, zuhause!»

Ihr Hymnenvorschlag ist allgemein verständlich: Jodel. «Ich würde mich nicht auf eine Sprache beschränken, eher was Rhythmisches – jeder soll mitjodeln, mitweinen und mitheulen können.»

Für Daniel De Roulet gehören gewisse Kulturprodukte zum Nationalverständnis: Bücher, Legenden, Orte – oder eben: Lieder. Auch der Genfer Autor machte sich Gedanken über eine neue Nationalhymne. Sein Augenmerk gilt dem Text, der nicht mehr so rückwärtsgewandt sein soll: «Er sollte weder nationalistisch tönen noch melancholisch. Er soll etwas erzählen, das für alle verständlich ist, die in der Schweiz leben, auch für Leute, die nicht hier geboren sind.» Der erste Satz: «Mon pays c‘est le monde.» Eine völkerverbindende Hymne.

Rote Badeenten

In der Schweiz die ganze Welt – hier knüpft auch Jürg Halter an. Für Menschen aus Dutzenden Nationen reiche ein einziger Psalm nicht, findet der Berner Slam-Poet und Rapper (alias Kutti MC): «Ich suche nach mehreren Hymnen.» Es gebe keine Schweizer Hymne, die der Bevölkerung, die hier lebt, entsprechen kann. «Entweder sind die Deutschschweizer repräsentiert, die Westschweizer oder die Albaner oder die Thailänder – die Schweiz ist ein multikulturelles Land.»

Weil er es sowieso nicht allen recht machen könnte, hat sich Halter für seine Hymne – oder Anti-Hymne – auf die Deutschschweiz konzentriert. Und was weckt bei Jürg Halter Heimatgefühle? «Nicht gezündete Raketen, oder umgestürzte Tischbomben, die nicht funktioniert haben. Oder rote Badeenten.»

Ernsthaft und mit politischer Absicht hat sich der 85-jährige Tessiner Giovanni Orelli an die Aufgabe gemacht. In seinem Hymnentext steht: «Man sollte die Heimat nicht nur am 1. August feiern, denn eine anständige und vernünftige Nation wie die Schweiz muss jeden Tag verteidigt werden.»

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