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Gesellschaft & Religion «Die Burka ist ein Randphänomen»

Die Diskussion um ein Burkaverbot erhitzt die Gemüter: Es geht um die Freiheit der Frau, die Angst vor dem Islam, religiöse und Schweizer Werte. Doch wie wird das Tragen einer Burka von Musliminnen empfunden? Antworten weiss die Publizistin Amira Hafner-Al Jabaji.

Wir sprechen im Zusammenhang mit der islamischen Ganzkörperverhüllung meist von der Burka. Ist das richtig?

Amira Hafner-Al Jabaji: Die Burka bezieht sich nur auf die Vollverschleierung mit einem kleinen, durchsetzten Gesichtsfenster. Sie wird vor allem in Afghanistan und in Teilen Pakistans getragen. Der Niqab hingegen ist ein vom schwarzen Gesamtschleier abnehmbarer Gesichtsschleier, den vor allem die Frauen in den arabischen Golfgebieten tragen.

Kopf einer Frau mit schwarzer Verhüllung, nur die Augen sind sichtbar.
Legende: Der Niqab: Er wird oft als Burka bezeichnet, unterscheidet sich jedoch durch den offenen und abnehmbaren Seeschlitz. Getty Images

Warum verschleiern sich Frauen in der muslimischen Welt überhaupt von Kopf bis Fuss?

Zunächst muss man sagen, dass es eher ein Randphänomen ist. Es ist nicht sehr weit verbreitet. In den grössten muslimischen Nationen, in Indonesien oder Malaysia, aber auch in anderen Teilen der muslimischen Welt, ist die Ganzkörperverschleierung mit Gesichtsverschleierung kein traditionelles Phänomen.

Wir finden die Gesichtsverschleierung vor allem im südarabischen Raum, in den Golfgebieten. Und wir finden sie in den ehemals beduinischen Gebieten – auch in Teilen Marokkos beispielsweise oder im Jemen.

Amira Hafner-Al Jabaji

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Die Publizistin und Moderatorin der Sendung «Sternstunde Religion» ist Islamwissenschaftlerin, Muslimin und Präsidentin des interreligiösen Think-Tanks.

Warum verbergen die Frauen ihr Gesicht?

Zunächst war die Gesichtsverschleierung Teil der Tracht, Teil der traditionellen Bekleidung der Frauen. Vor allem der Frauen, die draussen arbeiteten. Die Gesichtsverschleierung war ein Schutz gegen Witterung, gegen Sonne, gegen äussere Einflüsse.

Später wurde daraus eine Frage der Sittlichkeit konstruiert. Um dieses Thema geht es in der aktuellen Diskussion, um ein Burka-Verbot in der Schweiz und in anderen Teilen Europas.

Sind muslimische Frauen, die einen Ganzkörperschleier tragen weniger frei als Unverhüllte? Es wird ja immer wieder betont, Frauen unterwürfen sich damit und seien nicht selbstbestimmt.

Die Frage, wie frei eine Frau ist, macht sich bei den muslimischen Frauen – genauso wie bei uns – am individuellen Empfinden fest. Es gibt muslimische Frauen, die Ganzkörperverschleierung vorziehen – als Teil ihrer traditionellen Kleidung, mit der sie aufgewachsen sind. Diese Frauen würden von sich selbst nicht sagen, sie seien unfrei.

Es gibt aber auch Frauen, die sich beispielsweise beim Sport, beim Autofahren oder allgemein in der Öffentlichkeit eingeschränkt fühlen. Denn das Gesichtsfeld ist eingeschränkt und die Kontaktaufnahme mit anderen Menschen erschwert.

Männer und Frauen durch eine Mauer getrennt. Die Frauen tragen Burka.
Legende: Afghanistan ist eines der wenigen Gebiete in der die Burka getragen wird. Reuters

Die Frage ist, wie sehr sich die Frauen das wünschen. Denn: Wenn sie sich Kontaktaufnahme wünschen, dann bedeutet dies eine Einschränkung. Wenn nicht, und sie Kontaktaufnahme als lästig oder unziemlich betrachten, dann ist es keine Einschränkung.

Ich habe bisher noch keine Burkaträgerin gesehen in der Schweiz. Was sagen denn die wenigen Burkaträgerinnen über Emanzipation und Integration in der Schweiz aus?

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Ich habe in der Schweiz bisher auch kaum Burkaträgerinnen gesehen. Die, die ich gesehen habe, waren allesamt Touristinnen aus den Golfgebieten. Das heisst, diese Frauen überlegen sich in dem Moment nicht, was es heisst für die Integration, denn sie kommen als Gäste.

Sie sind nur für eine bestimmte Zeit hier, möchten eine schöne Zeit verbringen und werden ihr Leben dann in ihren Heimatländern fortsetzten.

Jene Frauen, die hier leben und sich dazu entscheiden, eine Vollverschleierung zu tragen, sind meiner Erfahrung nach oftmals Konvertitinnen, die eine speziell puritanische und rigorose Form der islamischen Lebensführung demonstrieren möchte – und das eben auch in der Öffentlichkeit.

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