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Gesellschaft & Religion Die Welt retten: das Lebensprojekt des Philosophen Peter Singer

Wer helfen kann, der soll auch helfen. Und wir alle können mehr tun – egal ob bezüglich Weltarmut, Klimawandel oder Tierhaltung. Der australische Philosoph Peter Singer hält es für unsere Pflicht, das Leiden auf der Welt zu mindern. Alles andere sei diesem Ziel untergeordnet.

Ein ethisches Leben besteht darin, zu helfen, wo man helfen kann, meint der weltberühmte Philosoph Peter Singer. Wenn wir ein ertrinkendes Kind sehen, dann steigen wir sofort ins Wasser – auch wenn unsere teuren Schuhe und Kleider danach ruiniert sind. Aber täglich sterben laut Singer 27'000 Kinder an den Folgen von schwerer Armut. Und die meisten von uns schauen weg. Was tun?

Nach Singer haben wir die Pflicht, das Geld, das wir für Luxusgüter ausgeben, einer Hilfsorganisation zu spenden, ebenso wie wir die Pflicht haben, das ertrinkende Kind zu retten. Jedes Leben zählt gleich viel – egal wie weit entfernt die leidende Person ist. Singer fordert uns auf seiner Website auf, dass wir mindestens fünf Prozent unseres Einkommens spenden – und zwar möglichst effektiv. Er selbst spendet bis zu 30 Prozent und ordnet seine privaten Interessen – als Australier liebt er das Surfen – der Bekämpfung der Weltarmut unter.

Der Zweck heiligt die Mittel

Peter Singer zählt zu den einflussreichsten und zugleich radikalsten Philosophen der Gegenwart. Der Professor mit Lehrstühlen in Princeton und Melbourne bekennt sich zur Theorie des Utilitarismus.

Der klassische Utilitarismus nach Jeremy Bentham (1748-1832) und John Stuart Mill (1806-1873) besagt, die moralisch richtige Handlung bestehe stets darin, das «grösste Glück der grössten Zahl» zu befördern. Eine Handlung ist also allein nach ihren Folgen zu beurteilen, die für alle Betroffenen möglichst positiv ausfallen sollten. Stehlen, Foltern, Töten sind demnach erlaubt, wenn die guten Folgen überwiegen, oder: Der Zweck heiligt die Mittel, wenn er die besten Folgen zeitigt.

Immanuel Kant (1724-1804) argumentierte gegen den Utilitarismus mit seiner Pflichtenethik, der zufolge gewisse Handlungen – etwa eine Lüge – immer schlecht sind, egal wie gut die Konsequenzen sind.

Menschenrechte für Menschenaffen

Singer ist zwar Utilitarist, aber es kommt ihm weniger auf Glücksmaximierung als auf die Interessenbefriedigung an. Er berücksichtigt die Interessen aller Betroffenen, auch die Interessen von empfindungsfähigen Tieren. Zwischen Menschen und Tieren eine moralische Grenze zu ziehen, hält er für ungerechtfertigt.

Singer zufolge gibt es kein relevantes Merkmal, das zwar allen Menschen zukommt, aber keinem Tier. Gewisse Tiere seien sogar intelligenter als manche geistig behinderten Menschen. Also setzt sich Singer auch dafür ein, bestimmten Menschenaffen Grundrechte zuzusprechen. Alles andere wäre für ihn «Speziesismus» – die Bevorzugung von Menschen, einfach nur darum, weil sie Menschen sind.

Darf man Säuglinge töten?

Wer nun denkt, der vegan lebende Weltverbesserer Singer hätte keine Feinde, der irrt gewaltig. Immer wieder kam es im Vorfeld öffentlicher Auftritte zu Protesten. 1991 wurde er bei einem Vortrag an der Universität Zürich tätlich angegriffen, der Vortrag musste abgesagt werden.

Buchhinweise

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Peter Singer: «Leben retten. Wie sich die Armut abschaffen lässt – und warum wir es nicht tun», Arche Verlag, 2010.

Peter Singer: «Praktische Ethik». Reclam, überarbeitete Ausgabe 1993.

Auch aufgrund der anstehenden Peter-Singer-Preisverleihung am 26. Mai 2015 in Berlin sind bereits Proteste angekündigt. Singer behauptet nämlich, dass man schwerbehinderte Säuglinge töten darf, wenn sie keine Aussicht auf ein gutes Leben haben und die Tötung im Interesse der Eltern ist. Diese Behauptung kann schockierend wirken. Sie ist gemäss Singer aber nur konsequent. Er meint nämlich, dass kein Säugling – ob behindert oder nicht – in gleichem Masse Anspruch auf das Leben hat wie ein Erwachsener.

Säuglinge haben zwar Empfindungen, aber sie sind gemäss Singer dennoch keine «Personen«, da sie weder Selbstbewusstsein noch Interessen haben, die sich auf die Zukunft beziehen. Diese Eigenschaften haben weder Embryonen noch Säuglinge. Und daher sollten Eltern konsequenterweise nicht nur vor, sondern auch kurz nach der Geburt entscheiden können, ob ihr heranwachsendes Kind im Fall einer schweren Krankheit weiterleben soll. Singers Überlegungen gelten also auch hier den Interessen aller Betroffenen und der Vermeidung von unnötigem Leid.

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