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Schweizer Militärvelo Ein Velo mit Kultstatus

Das Schweizer Militärvelo hat heute Kultstatus. Warum das schwere Stahlross bis heute so beliebt ist, erklärt Alt-Divisionär Paul Müller.

Das Velo gibt es bald 200 Jahre. Das Militärvelo ist nur halb so alt, aber doppelt so beliebt. Für manche Veloliebhaber aus den Nachbarländern ist es sogar ein Kultobjekt. Wie erklären Sie sich diesen Kult?

Paul Müller: Ich glaube, das liegt an seiner Einfachheit, Robustheit und Zuverlässigkeit. Das Ordonnanzrad 05 war schon bei der Radfahrer-Truppe sehr beliebt, obwohl es nur einen Gang und ein Gewicht von 22,5 Kilo hat!

Für so manchen Militärradfahrer war es eine Art treuer Kamerad. Dieses Militärrad wurde zwischen 1904 und 1988 insgesamt 68'000 mal produziert. Ein Drittel fand bei den Militärradfahrern Verwendung.

Zur Person

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Paul Müller ist ehemaliger Planungschef der Armee und Kommandant der Felddivision 5. Heute ist er Ehrenmitglied der historischen Radfahrerkompanie.

Wer mit diesen Ein-Gang-Fahrrädern den Berg hochfahren möchte, braucht jedoch viel Mut.

Und natürlich Kondition. Wenn es steil hinauf geht, muss man es eben auch mal stossen. Die Soldaten von damals waren keine Athleten. Zudem waren sie fast immer schwer beladen. Wenn es den Berg hoch ging, mussten sie oft absteigen – alle zusammen.

Manchmal musste der Stärkere dem Schwächeren helfen, ihm eine Last abnehmen. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb die Kameradschaft in dieser Truppe so ungewöhnlich stark war.

Trotzdem hat sich das Militär vom «Eingänger» getrennt.

Allerdings erst 1993. Dann kam das neue Militärvelo auf den Markt. Es hatte 7 Gänge. 2012 kam der 8-Gänger. An den Militär-Radrennen ist jedoch die Truppe mit den «Eingänger» immer noch am schnellsten.

Im Archivmaterial ist zu sehen, wie die Soldaten mit dem Schweizer Militärvelo teilweise halsbrecherisch die Hänge runterfahren und sie bei einem entsprechenden Befehl auch schnell auf den Boden schmeissen mussten. Das Militärvelo musste einiges aushalten.

Die Radfahrertruppe war eine Kampftruppe, die schnell reagieren musste. Es musste zu jeder Zeit mit unerwarteten Feindkontakten gerechnet werden. Rasches Aufsuchen von Deckung und der Waffeneinsatz waren wichtig. Dabei musste das Ordonnanzrad einiges aushalten.

Video
Das Schweizer Militärvelo
Aus Kultur Extras vom 11.06.2017.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 19 Sekunden.

Bis zum Jahr 2003 gab es im Militär die Truppengattung der Radfahrer. Was hatte sie für eine Aufgabe?

Die Truppengattung der Radfahrer kämpfte am gleichen Einsatzort wie andere Infanterieverbände. Das Rad diente in erster Linie als Verschiebungsmittel um einen bestimmten Ort rasch zu erreichen. Dabei war die Radfahrertruppe nicht auf intakte Strassen angewiesen. Mit den militärischen Radfahrerverbänden war man in der Lage, Kampftruppen oder zivile Behörden rasch zu verstärken bzw. zu unterstützen und grosse Gebiete zu überwachen.

Was hat die Schweizer Radfahrer-Truppengattung von ihren ausländischen Kollegen unterschieden?

Wahrscheinlich nicht so viel. Der grosse Unterschied bestand im Rad. Ich kann mich erinnern, dass die Räder der österreichischen Grenzbewacher ständig kaputt gingen. Am Ende kamen sie zu uns und fragten, ob wir ihnen Schweizer Militärvelos liefern könnten. Sie wussten, dass diese viel stabiler sind.

Weshalb wurde diese Truppengattung in der Schweiz dennoch abgeschafft?

Die starke Reduktion des Armeebestandes und die zunehmende Mechanisierung und Motorisierung führten Ende 2003 zum Verzicht auf Radfahrerverbände. Man begründete das oft damit, dass diese Verbände schutzlos sind.

Ich halte die Abschaffung immer noch für falsch. Die Radfahrertruppe verfügte über einen ausserordentlichen Korpsgeist. Sie war eine echte Elitetruppe. Eine Radfahrertruppe ist zudem äusserst kostengünstig.

Fahren Sie heute noch mit dem Ordonnanzrad 05?

(lacht) Ich selbst besitze kein Ordonnanzrad, aber mein Herz schlägt selbstverständlich für die militärische Radfahrertruppe.

Das Gespräch führte Andrea Meier.

Dieses Interview erschien ursprünglich bei 3Sat.de.

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