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Gesellschaft & Religion Eklat am Philosophiefestival: Peter Singer wurde ausgeladen

Das Philosophiefestival Phil.Cologne in Köln hat seinen Gast, den Philosophen Peter Singer, ausgeladen: Seine Meinung sei nicht mit dem Selbstverständnis des Festivals vereinbar. Nur: Sinn ergibt diese Erkärung eigentlich nicht, sagt Sternstunde-Moderatorin Barbara Bleisch.

Barbara Bleisch, Sie sind zur Zeit in Köln am Festival Phil.Cologne, mit Peter Singer haben Sie selbst vor einigen Tagen in der Sternstunde Philosophie gesprochen. Wieso hat man Peter Singer ausgeladen?

Barbara Bleisch: Die offizielle Begründung lautet, dass Peter Singer in seinem Interview mit der NZZ am Sonntag Meinungen vertreten habe, die «im Widerspruch zu dem humanistisch-emanzipatorischen Selbstverständnis der Phil.Cologne stehen». Gemeint sind damit insbesondere zwei Aussagen, die Singer in seinem Interview gemacht hat. Erstens sagte er, dass ein neugeborenes Kind nicht schützenswerter sei als ein Embryo. Und zweitens bejaht er die Frage, ob er so weit gehen würde ein Baby zu foltern, wenn dies die gesamte Menschheit auf Dauer glücklich machen würde.

Diese Aussagen sind extrem, aber sind sie denn neu?

Nein, das kann man bereits in seinem Buch «Praktische Ethik» nachlesen, das 1979 erschienen ist. Damals sorgten diese Thesen für Demonstrationen, etwa auch 1991, als Peter Singer in Zürich an der Universität tätlich angegriffen wurde. Neben seinen Aussagen über den Status des menschlichen Embryos irritierte immer wieder auch sein Plädoyer für aktive Sterbehilfe bei schwerstbehinderten Säuglingen.

Video
Peter Singer – Der Weltverbesserer unter den Philosophen
Aus Sternstunde Philosophie vom 24.05.2015.
abspielen. Laufzeit 55 Minuten 56 Sekunden.

Er hat diese Aussagen auch im Gespräch mit mir in der Sternstunde Philosophie am vergangenen Wochenende wiederholt. Überraschend ist vielleicht eher, dass Singer diese Aussagen im NZZ-Interview so pointiert herausstreicht. Sie sind aus dem Kontext seiner Theorie des Utilitarismus gerissen und wirken damit noch extremer, als wenn man seine Bücher als ganze liest.

Wieso weiss man in Deutschland so genau von diesem NZZ-Interview?

Den Wirbel losgetreten hat der deutsche Philosoph Michael Schmidt-Salomon, der am Dienstag in Berlin eine Laudatio auf Peter Singer hätte halten sollen und diese Laudatio abgesagt hat – und zwar eben aufgrund der genannten Aussagen in der NZZ vom letzten Sonntag. Die Preisverleihung fand als geschlossene Veranstaltung statt; bereits im Vorfeld waren Proteste angekündigt worden. Offenbar ist danach der Druck auf die Phil.Cologne so sehr gestiegen, dass sie seinen Auftritt aus dem Programm gekippt haben.

War das ein einhelliger Entscheid der Leitung des Philosophiefestivals?

Von offizieller Seite her weiss man das nicht, aber hinter den Kulissen hat es wohl heftig rumort. Die Programmleitung hat sich offenbar schwer getan mit einem Entscheid. Wolfram Eilenberger, Chefredakteur des «Philosophie Magazins» und Mitglied der Programmleitung der phil.Cologne, sagte im Kölner Stadtanzeiger, dass man zwar zu dem Recht der Philosophie auf Tabubrüche stehe, aber dass die geplante Veranstaltung «weder organisatorisch noch thematisch im angedachten Rahmen» hätte stattfinden können. Offenbar musste man davon ausgehen, dass die Veranstaltung von Behindertenorganisationen und anderen Gegnern von Peter Singer gesprengt worden wäre. Köln ist sehr katholisch geprägt und die Debatte um die unantastbare Würde des Lebens und um den Status des Embryos wird hier sehr emotional geführt.

Und hat Sie persönlich der Entscheid überrascht?

Ja, das hat er. Interessanterweise hatte die Veranstaltung mit Peter Singer an der Uni Zürich, die letzte Woche stattfand, einen enormen Zulauf – und Proteste blieben ganz aus. Insofern überraschen mich die Reaktionen in Deutschland schon. Vor allem aber verstehe ich nicht, warum man Peter Singer auslädt oder Lobreden absagt, wenn er doch nur Positionen wiederholt, von denen man längst weiss, dass er sie vertritt.

Ausserdem hätte er in Köln über ein ganz anderes Thema, nämlich sein Plädoyer für den Veganismus gesprochen. Für die Philosophie ist es auf jeden Fall ganz zentral, die Meinungsäusserungsfreiheit hochzuhalten. Nur so können wir kontroverse Positionen diskutieren und allenfalls auch Argumente dagegen vorlegen.

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