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Gesellschaft & Religion Imame ausbilden in der Schweiz: Ja – aber wie?

Der Job von Imamen ist eine Herkulesaufgabe: Sie sollen ihre Gemeinde leiten und mit Schweizer Institutionen zusammenarbeiten. Und oft mischen Staaten wie die Türkei oder Saudi-Arabien mit. Mit Ausbildungen von Imamen in der Schweiz soll sich das ändern. Doch so einfach ist das nicht.

  • Verschiedene Interessensgruppen in der Schweiz sind sich einig, dass Imame ihre Ausbildung in der Schweiz erhalten sollen.
  • Darüber, wie das geschehen soll, gibt es noch keinen Konsens.
  • Erste Erfahrungen mit Weiterbildungskursen und einem Doktoratsprogramm sammelt nun das «Zentrum für Islam und Gesellschaft» in Fribourg.

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In einer Reportage von Christa Miranda geht die Schweizer Muslimin Amira Hafner-Al Jabaji der Frage nach einer Imam-Ausbildung in der Schweiz nach. Sie besucht eine bosnische, eine schiitische und eine türkische Moschee, sitzt in eine Vorlesung an der Universität Freiburg im Üechtland und spricht mit Befürwortern und Gegnern.

Ist der Imam dieser oder jener Moschee ein Hassprediger oder ein umsichtiger Seelsorger einer muslimischen Gemeinde? Ist er fähig, mit Schweizer Institutionen zusammenarbeiten? Nach Anschlägen wie in Paris oder Belgien, nach jedem Jugendlichen, der nach Syrien reist, nach der Handschlag-Debatte fragt man sich: Hätten fortschrittliche, an westlichen Universitäten ausgebildete Imame das verhindern können?

Massnahmen gegen Radikalisierung

Imame stehen in der Schweiz vor anspruchsvollen Aufgaben: Neben der spirituellen Leitung ihrer Gemeinde sollen sie mit den Jugendlichen arbeiten, Seelsorge in Gefängnissen leisten, müssen Interviews geben, in Fernsehsendungen auftreten. Sie sollen mit den Politikern reden können, mit Lehrern und Sozialarbeitern.

Und alle wollen eines von ihnen: die Zusicherung, dass sie keine Radikalisierung innerhalb ihrer Gemeinden aufkommen lassen. Und wenn sie dennoch entsteht, sollen Imame sofort einschreiten. In der aktuellen aufgeheizten Stimmung sind das Ansprüche, die wohl auch einen Schweizer Pfarrer überfordern würden.

Türkische und saudische Gelder

Wie sind die Imame in der Schweiz dafür gerüstet? In Schweizer Moscheen predigen zahlreiche «Laienimame», die daneben einer anderen Arbeit nachgehen. Und dann sind allein in türkischen Moscheen derzeit 36 hauptamtliche Imame tätig. Sie wurden in der Türkei ausgebildet, von der türkischen Religionsbehörde Diyanet in die Schweiz entsandt und sind von ihr finanziert.

Immer wieder in die Schlagzeilen geraten Moscheen, die von saudischen Geldern profitieren, wie jene in Genf oder die Basler Moschee der König Faysal-Stiftung. Kürzlich wurde bekannt, dass der Vater der beiden Jugendlichen, die ihrer Lehrerin den Händedruck verweigern, eben dort als Imam tätig ist.

Audio
Imam-Ausbildung in der Schweiz
aus Zwischenhalt vom 16.04.2016.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten.

Die Muslime müssen ja sagen

«Es braucht dringend eine Schweizer Imamausbildung», sagt Farhad Afshar, der Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz KIOS. Auch er sieht die Finanzierung von Imamen aus dem Ausland kritisch. Deshalb setzt er sich seit über 30 Jahren für ein islamisches Studium an hiesigen Universitäten ein.

Doch es ist ein «ja, aber»: «Es muss ein Studium sein, das von den namhaften muslimischen Universitäten der islamischen Welt anerkannt wird. Die Moscheevereine und Verbände werden keine islamischen Theologen anstellen, deren Ausbildung nicht von muslimischer Seite anerkannt ist.»

Vor einer Wandtafel sitzen zwei Männer, einer erklärt, im Hintergrund ist ein Ausschnitt aus einem Korantext an die Wand projiziert..
Legende: Serdar Kurnaz (l.) und Hansjörg Schmid im Zentrum für Islam und Gesellschaft an der Universität Fribourg. SRF

Universität in Fribourg als Vorreiterin

Islamstudien haben sich an einigen deutschen Universitäten schon länger etabliert. Hierzulande macht derzeit das «Zentrum für Islam und Gesellschaft» an der Universität Fribourg erste Gehversuche. Doch das Zentrum ist umstritten. Die Ängste vor dem Islam sind in der Bevölkerung massiv gewachsen, befeuert durch die Politik, aber auch durch die Attentate im nahen Ausland.

Neben dem Widerstand von Islamkritikern von rechts gibt es auch innermuslimische Kritik: Muslimische Verbände verbitten sich mehr oder weniger lautstark eine universitäre Einmischung in ihre Glaubensinhalte. Für Farhad Afshar ist das nur logisch. Denn ohne Rückhalt der Verbände würden Islamtheologen ausgebildet, die danach arbeitslos seien, weil sie von keiner Moschee angestellt würden.

Weit auseinanderliegende Vorstellungen

Doch am «Zentrum für Islam und Gesellschaft» in Fribourg pocht man auf die Hochschulautonomie und auf die Wissenschaftlichkeit des Angebots. Trotzdem führen die beiden Co-Leiter des Zentrums, der islamische Theologe Serdar Kurnaz und sein christlicher Kollege Hansjörg Schmid, intensive Gespräche mit Verbänden. Und sammeln Erfahrung mit Weiterbildungskursen für Imame und Moscheepersonal sowie einem diesen Sommer startenden Doktoratsprogramm.

Imame und Moscheepersonal sollten in der Schweiz Ausbildung erhalten – auf den ersten Blick stimmen alle ein. Doch wer genauer hinschaut, realisiert, wie weit die Vorstellungen auseinander liegen. Bis in hiesigen Moscheen debattierfreudige, im Umgang mit Schweizer Institutionen gewandte und gut ausgebildete Imame predigen, wird es noch dauern.

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