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Gesellschaft & Religion Können neue Bäume die Erosion auf der Osterinsel stoppen?

Die Osterinsel bleibt bis heute mysteriös: Wie kamen die steinernen Moai-Figuren dahin – mitten im Stillen Ozean, 3800 Kilometer vom Festland entfernt? Ganz weltlich hingegen ist das akute Problem der Bodenerosion: ein Krebsgeschwür, das die Insel langsam zersetzt.

Rötlich-schwarz glimmt das vulkanische Gestein, frisches Gras überzieht das hügelige Eiland. Das Klima auf der Osterinsel ist mild. Doch es gibt nur wenig Süsswasser, zwei Vulkanseen, kein einziges Bächlein fliesst hier. Wenn es mal regnet, versickert das Wasser schnell im porösen Vulkanboden. Auch deswegen präsentiert sich das Eiland am Ende der Welt fast baum- und strauchlos. Doch seit Jahrzehnten versucht man das zu ändern.

Ein salzresistenter Baum soll's richten

Die Baumschule der CONAF mit den Setzlingen.
Legende: Die Baumschule der CONAF mit den Setzlingen. M.Marek / S.Weniger

Vor knapp zehn Jahren hat die chilenische Forstbehörde CONAF damit begonnen, den salzresistenten Aito-Baum auf der Osterinsel anzupflanzen, erzählt Jorge Alejandro Edmunds. Gemeinsam mit seinen Kollegen untersucht der Wissenschaftler, warum auf der Osterinsel kaum etwas wächst – und ob es neben den Aito-Baum noch andere Baumarten gibt, die zur Wiederaufforstung geeignet sind.

«Die starken Winde tragen alles an Mineralien fort, die die Bäume zum Überleben so dringend brauchen», erklärt Edmunds. Die Sonne scheine hier zwölf Stunden täglich. Hinzu käme die Gischt des Ozeans, die mit ihrem salzigen Wasser die frischen Setzlinge bedecke, so der Biologe.

Eine Sisyphusarbeit

Trotzdem: 70'000 Bäume haben bisher einen Platz in dem kargen Osterinsel-Boden gefunden. Aber über 200'000 sind nötig, um die voranschreitende Erosion zumindest aufzuhalten. Eine Sisyphusarbeit: «Seit 2006 haben wir jetzt die Bäume, die bereits fünf bis sechs Meter gewachsen sind. Überlegen Sie einmal, fünf Meter! Der Boden der Osterinsel ist sehr mager, es gibt keinerlei Mineralien. Wir brauchen also Dünger zum Wiederaufforsten.»

Auf der kargen Insel kann man den ersten Waldbestand auf der Luftaufnahme erkennen.
Legende: Auf der kargen Insel kann man den ersten Waldbestand auf der Luftaufnahme erkennen. M.Marek / S.Weniger

Wissenschafter haben nachgewiesen, dass die Insel bis zum 17. Jahrhundert von Wäldern bedeckt war. Sie wurden von den Vorfahren der heutigen Osterinsulaner abgeholzt, um die Moai, die steinernen Statuen, zu transportieren, um Kanus und Häuser zu bauen und um die Toten zu verbrennen.

Als im 18. Jahrhundert die Insel von den Europäern entdeckt wurde, war das Eiland baumlos: «Meine Vorfahren waren davon besessen, diese Statuen zu bauen», erzählt die Osterinsularin Uri Avaka Teao, «nur um den anderen Stämmen zu beweisen, wie mächtig sie waren. Es war eine Katastrophe. Sie vergassen darüber, sogar für Nahrung zu sorgen, Fische zu fangen oder Gemüse anzubauen. Sie haben sich nur auf Statuen konzentriert.»

Die ganze Insel einfach abgeholzt

Von einem Ökozid spricht der US-Geograph Jared Diamond in seinem Bestseller «Kollaps – warum Gesellschaften überleben oder untergehen». Und so hat sich für Diamond der Untergang auf der Osterinsel abgespielt: Um 1600, so Diamond, sei vermutlich der letzte Baum gefällt worden. Von da ab fehlte nicht nur der wichtigste Rohstoff, um die Steinriesen aus dem Steinbruch zu rollen. Es gab auch kein Feuerholz mehr und keinen Werkstoff für die Kanus, um auf das Meer zum Fischen zu fahren.

Die küstennahen Gebiete wurden schnell überfischt und die Vögel ausgerottet. Durch den Kahlschlag war der Ackerboden dem Regen und den kräftigen Passatwinden schutzlos ausgesetzt. Was folgte, war zunehmende Bodenerosion und Nahrungsmittelknappheit. Um die wenigen Ressourcen wurden Kriege geführt. Am Ende assen die Insulaner Menschenfleisch.

Es gibt wieder Wald

Eukalyptuswald auf der Osterinsel
Legende: Die ersten Eukalyptuswälder sind wieder aufgeforstet. M.Marek / S.Weniger

Heute gibt es wieder einige Waldgebiete, erklärt Biologe Edmunds, die überwiegend aus Eukalyptus-Bäumen bestehen. Die ersten wurden um 1900 gepflanzt und dann später in den 1970er-Jahren. Eukalyptus sei nicht gut für die Insel, resümiert Edmunds, er verbrauche zu viel des kostbaren Grundwassers. Ausserdem stamme er aus Australien und passe so gar nicht zur Osterinsel. Auch deshalb habe man seit 2006 begonnen, die südwestliche Inselspitze mit dem Aito, dem Eisenbaum, aufzuforsten.

Unterstützt wird das Vorhaben von der chilenischen Regierung, vor allem aber von Frankreich. Doch Gelder fliessen nur spärlich, und das Programm zur Wiederaufforstung wurde zwischenzeitlich immer wieder auf Eis gelegt.

Von einen Erfolg könne man daher kaum sprechen, sagt Edmunds resigniert. Dabei sei die Wiederaufforstung enorm wichtig, denn nur so könne man das Land vor der Erosion schützen. Sie sei wie ein Krebsgeschwür, das die Osterinsel langsam zersetze.

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