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Kult im Silicon Valley «Apple will bewusst quasireligiöse Gefühle wecken»

Apple inszeniert neue Produkte in aussergewöhnlichen Präsentationsshows. Ein Theologe zeigt Parallelen zur sakralen Liturgie auf.

SRF: Sie haben die neuste Apple-Präsentation mit der Liturgie verglichen und untersucht. Was haben Sie festgestellt?

Christian Walti: Der Vergleich klingt vielleicht wie ein Scherz, trotzdem sollte man ihn ernst nehmen. Denn die Techniken, die bei Apple eingesetzt werden – die Fokussierung auf einen bestimmten Gegenstand, auf Personen, auch die vielen Emotionen, die fast gebetsartig vorgetragen werden – das ist typisch für liturgisches Handeln.

Zur Person

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Christian Walti (34) ist Pfarrer an der Friedenskirche in Bern. Er hat eine Dissertation zu verschiedenen Gottesdiensttypen geschrieben und ist assoziiertes Mitglied am Kompetenzzentrum Liturgik der Uni Bern sowie Lehrbeauftragter an der Uni Basel.

Damit ist natürlich noch nicht gesagt, dass es wirklich eine Liturgie ist, die hält, was sie verspricht.

Wie bewusst nutzt Apple die Liturgie als Instrument?

Die Verantwortlichen wissen, dass sie über die Präsentationen ihre Produkte zu heiligen Objekten hochstilisieren.

Auch der Kult um den langjährigen CEO Steve Jobs ist Absicht. Es sollen bewusst quasireligiöse Gefühle und vor allem Heilserwartungen bei den Konsumenten geweckt werden.

Ist der Konsum eine Art Ersatzreligion für die Menschen geworden?

Ich denke nicht, dass solche Konsumliturgien eine klassische Spiritualität wie etwa im Christentum oder im Islam ersetzen können.

Schliesslich sind die sogenannten Keynotes, die herausragend präsentierten Vorträge, leicht durchschaubar. Aber: Nicht wenige fallen auf sie herein.

Eine Nahaufnahme von Steve Jobs wird auf eine grosse Wand projiziert. Davor steht ein Mann in Jeans und hält eine Präsentation.
Legende: «Der Kult um Steve Jobs ist Absicht», sagt Walti. Apple stilisiere Produkte und Personen zu heiligen Objekten hoch. srf

Braucht der Mensch Kulte?

Ja, auch wenn sie nicht religiös sind. Wir alle nehmen an Feiern teil, an denen bestimmte Personen oder Gegenstände verehrt werden.

Ein Kindergeburtstag ist da ein gutes Beispiel: das Kind erhält Wertschätzung und Ehrungen im Rahmen einer kleinen, spontanen Liturgie.

Apple deutet an, dass man seine Identität selber wählen und mit ihr spielen kann.

Das neue iPhone 10 bietet Funktionen mit Augmented Reality, mit computergestützter Erweiterung der Realität. Der Nutzer kann sich etwa digitale Masken aufsetzen und mit diesen Botschaften verschicken. Was für einen Nutzen hat das?

Bei der sogenannten Animoji-Funktion geht es um die Erweiterung der Realität durch künstliche Funktionen. Aus dem eigenen Gesicht kann etwa ein Hunde-Emoji werden, dessen Gesichtszüge sich dem eigenen Gesichtsausdruck anpassen.

Es ist ein Spielzeug, so wird es auch präsentiert. Das Spiel macht den Eindruck, dass aus einem mehr wird, als man ist.

Es ist wohl ein alter Wunsch des Menschen, sich für kurze Zeit zu verwandeln. Apple deutet damit an, dass man seine Identität selber wählen und mit ihr spielen kann.

Apple lädt die Geräte mit vielen positiven Gefühlen auf und verspricht dank ihnen ein schöneres Leben. Fühlt man sich nach dem Kauf eines solchen Gerätes unabhängiger, kreativer?

Das bezweifele ich. Jeder kann bestätigen, dass die Geräte in ihrer Wirkung eine kurze Halbwertszeit haben. Schon nach einer Woche sind sie Alltagsgegenstände geworden.

Die quasi übermenschlichen Fähigkeiten und das heilige Gefühl bei der Nutzung sind weg. Die Augmented Reality bringt mir keine neue Identität. Der Hersteller hält also nicht, was er in seiner Liturgie verspricht.

Das Gespräch führte Dani Heusser.

Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 04.10.2017, 22.25 Uhr

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