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Gesellschaft & Religion Nonnen in den USA: beharrlich und couragiert

Nonnen in den USA würden sich zu viel um Arme und zu wenig um die Kirche kümmern - so der Vorwurf aus dem Vatikan. Nun erhielt gestern die Dachorganisation der US-amerikanischen Frauenorden (LCWR) den renommierten Herbert-Haag-Preis für die Freiheit in der Kirche.

In den Vereinigten Staaten sind Nonnen über Partei- und Religionsgrenzen hinweg beliebt und respektiert. Die meisten haben ihre Ordenskleider bereits nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vor fünfzig Jahren abgelegt, ihre Klostermauern verlassen und sich unter Arme und Benachteiligte gemischt. In den USA gingen sie zum Beispiel in Elendsviertel und verarmte Pfarreien, im Ausland in Krisen- und Kriegsgebiete. US-Ordensfrauen begannen also zu praktizieren, was andere noch immer nur predigen: Nächstenliebe, wie sie in der Bibel steht.

LCWR

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Die «Leadership Conference of Women Religious» (LCWR) ist die wichtigste Dachorganisation katholischer Nonnen in den USA. Sie wurde 1956 gegründet und hat heute über 1500 Mitglieder. Der Vatikan wirft dem Dachverband vor, dass seine Positionen bezüglich Abtreibung, Priesterweihe für Frauen und Homosexualität von der katholischen Lehre abweiche.

Maulkorb aus Vatikanstaat

In der männlichen Kirchenführung in Rom verfolgte man das Engagement der couragierten Frauen mit wachsendem Argwohn. Nach einer dreijährigen Untersuchung kam der Vatikan zum Schluss, die US-Nonne kümmerten sich zu viel um Arme und Benachteiligte und blieben «stumm», wenn es um Themen wie Abtreibung oder den Trauschein für gleichgeschlechtliche Paare gehe.

Drei amerikanische Bischöfe wurden beauftragt, in den kommenden Jahren die Statuten des Dachverbands der Frauenorden neu zu formulieren, ihre Liturgien und Rituale zu kontrollieren und auch alles, was der Zusammenschluss veröffentlicht. Ein klarer Maulkorberlass. 

Proteste der Basis

Dieses Vorgehen der Kirchen-Hierarchie rief in den USA die römisch-katholische Basis auf den Plan: In über 50 Städten hielten empörte Gläubige Mahnwachen. Zehntausende unterzeichneten eine Petition, in der sie die kritisierten Nonnen unterstützten. Auch Männerorden solidarisierten sich mit den Schwestern und zahlreiche Katholikinnen und Katholiken in aller Welt.

Der kritisierte Dachverband wies die Vorwürfe aus Rom als «unbegründet» zurück. Um den Konflikt jedoch nicht zu verschärfen, bot er Hand zum Dialog. Inzwischen ist es zu einem ersten Treffen zwischen Delegationen beider Lager gekommen. Doch ausser einer dürren Presse-Erklärung ist nichts weiter an die Öffentlichkeit gedrungen.

Angst vor Reformen und Frauen

Pat Farrell, eine 66jährige Franziskanerin, war beim Eklat Präsidentin des Dachverbands der amerikanischen Frauenorden und sitzt noch heute in dessen Leitung. Sie war es auch, die eben den renommierten Herbert-Haag-Preis für die Freiheit in der Kirche entgegennehmen durfte. Auf den Knatsch mit der männlichen Führung angesprochen, meint sie sanft und gelassen: «Konflikte zwischen Teilen der Kirche sind nicht neu.» Als das Zweite Vatikanum die Ordensfrauen aufgefordert habe, den Geist der Gründerinnen und Gründer zu erforschen, hätten «fast alle Nonnen ihre Konflikte mit dem Vatikan, der institutionellen Kirche entdeckt».

Dass die Schelte aus Rom für die amerikanischen Schwestern nicht nur eine Demütigung, sondern auch eine Geringschätzung ihrer Arbeit darstellt, ist auch für Pat Farrell offenkundig: «In unserem konkreten Fall geht es eindeutig um den Zusammenprall zweier Teile der Kirche, nämlich einem, der den Geist des Zweiten Konzils angenommen und vertieft hat und einem, der davor zurück gewichen ist.» Auch eine ganz konkrete Angst vor Frauen ist nicht zu übersehen. «Man wirft uns ja unter anderem auch extremen Feminismus vor», erzählt Pat Farrell und interpretiert diese Kritik «als Zeichen der Angst, Frauen auf allen Stufen ihren rechtmässigen Platz zuzugestehen.»

«Meine Kirche»

Pat Farrell trat als 14Jährige in die Ordensgemeinschaft der Franziskanerinnen von Dubuque im US-Bundesstaat Iowa ein und leistete dann Auslandeinsätze während der Militärdiktatur in Chile und dem Bürgerkrieg in El Salvador. Der römisch-katholischen Kirche den Rücken zu kehren und einen eigenen, neuen Weg zu gehen, kam für sie aber nie in Frage. «Weil es meine Kirche ist. Ich bin die Kirche. Es wäre etwas anderes, wenn man mich aus der Kirche schmeissen würde», entgegnet sie in ihrer sanften, ruhigen Art. Die gegenwärtige Situation fordere ihre ganze Kraft, um weiterzukämpfen, «um Raum zu schaffen für eine Kirche, in der alle Menschen willkommen sind.» Und dafür ist sie, so ihre Meinung, im Dachverband der amerikanischen Frauenorden am richtigen Platz.

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