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Gesellschaft & Religion «Racial Profiling»: Dunkle Haut ist verdächtig

Dunkelhäutige werden in der Schweiz häufig aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert. «Racial Profiling» nennt man diese Polizeikontrollen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern sieht darin einen tief sitzenden Rassismus.

  • Racial Profiling, die Kontrolle aufgrund bestimmter physischer oder ethnischer Merkmale, ist illegal.
  • Eine Gruppe von Wissenschaftlern hält fest: Racial Profiling verweise auf einen tief sitzenden Rassismus in der Schweizer Gesellschaft.
  • Polizeicorps grosser Schweizer Städte haben bereits viel geändert, dennoch berichten Betroffene weiterhin von Racial Profiling.

Kürzlich, nach dem Flug von Madrid nach Basel: Bei der Zollkontrolle am Euroairport wurden ausschliesslich Passagiere mit dunkler Haut herausgepickt, am häufigsten solche mit maghrebinischen Gesichtszügen. Keiner der Passagiere mit europäischer Haut musste Koffer oder Handgepäck zeigen. Dass Menschen mit dunkler Haut systematisch öfter, strenger kontrolliert werden als andere, daran haben wir uns fast schon gewöhnt.

Öffentlichkeit schaffen

An jenem 6. Dezember 1992 war Williams Lecraft mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn mit dem Zug unterwegs von Madrid nach Valladolid. Die Dunkelhäutige stammte aus den USA. In Valladolid angekommen, wurde Williams Lecraft von einem Polizisten kontrolliert, ohne jeden Grund. Sie wehrte sich, erhob Beschwerde. Die spanischen Polizeibehörden verteidigten sich mit dem Argument, sie seien gehalten, Personen mit dunkler Hautfarbe besonders streng zu kontrollieren; alle nachfolgenden Instanzen, bis hin zum spanischen Verfassungsgericht, lehnten daraufhin die Beschwerde ab.

Der Entscheid Lecraft vs. Spain, über den der UNO Menschenrechtsausschuss im Jahr 2009 rechtsgültig urteilte, ist ein «Leading Case», ein wegweisender Entscheid zum Racial Profiling. Der Ausschuss hielt unter anderem fest, dass Kontrollen, die bei Personen mit bestimmten physischen oder ethnischen Merkmalen durchgeführt werden, einer «unzulässigen direkten Diskriminierung» gleichkommen. Insbesondere könne im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass «die physischen oder ethnischer Merkmale der für eine Kontrolle ausgesuchten Person als Hinweis auf ihre mögliche illegale Situation» angesehen werden dürfen.

Damit hat der Menschenrechtsausschuss der UNO in diesem einen Punkt Klarheit geschaffen: Die Hautfarbe oder andere ethnische Merkmale genügen nicht als Grund für eine Anhaltung oder Kontrolle, Racial Profiling ist illegal.

Fussballstar mit Taschendieb verwechselt

In der Schweiz war es ein Video, das zu einer grossen Aufmerksamkeit für das Thema Racial Profiling führte: Am 27. Mai 2015 filmten Passanten, wie Yassine Chikhaoui, der Fussballstar des FC Zürich, an der Bahnhofstrasse in Zürich von mehreren Polizeibeamten zu Boden geworfen, gefesselt und schliesslich abgeführt wurde, vor den Augen seiner Frau.

Der Übergriff, von den Medien als «brutal» bezeichnet, erfolgte alleine deshalb, weil die Polizei meinten, Chikhaoui gleiche einem der Männer, der als Taschendieb zur Fahndung ausgeschrieben war.

Racial Profiling auch in der Schweiz

Der Fall Chikhaoui brachte es ans Licht: dass Racial Profiling auch in der Schweiz praktiziert wird. Denn er war nicht der einzige. Bekannt wurde der Fall von Mohamed Wa'Baile, der ohne Grund am Hauptbahnhof Zürich angehalten wurde.

Es meldeten sich daraufhin Prominente in den Medien, darunter Fatima Moumoni, die Spoken-Word-Poetin, auch der Musiker Tozim Modzima. Im März dieses Jahres trat eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an die Öffentlichkeit und hielt fest: Racial Profiling verweise auf einen tief sitzenden Rassismus in der Schweizer Gesellschaft.

Bern, Basel und Zürich haben gelernt

In keinem der Polizeikorps grösserer Schweizer Städte wurde das Problem heruntergespielt, im Gegenteil. In Zürich stellte Polizeidirektor Richard Wolff eine Arbeitsgruppe und ein Sensibilisierungsprogramm in Aussicht, in Bern arbeitete die Polizei gemeinsam mit dem Swiss African Forum ein Merkblatt zu Polizeikontrollen aus.

Auch in Basel, einer Stadt mit einer sehr diversen Bevölkerung, wird darauf geachtet, dass die Polizisten keine Anhaltung «ohne einen begründeten Verdacht» durchführen, sagt Polizeikommandant Gerhard Lips in der Sendung Kontext. Aber man geht in Basel noch weiter. Ganz gezielt werden Anwärter mit Migrationshintergrund ins Polizeikorps integriert, mit dem Ziel, dass die Polizei die Diversität der Gesellschaft, in der sie arbeitet, auch abbildet.

Dennoch ist es ein langer Weg, bis die Diskriminierung aus der alltäglichen Praxis der Polizei verschwindet. Sagte mir unlängst ein Jugendlicher, dessen Eltern aus Kosovo stammen: «Willst du, dass dich die Polizei in Ruhe lässt, musst du mit Afrikanern in den Ausgang – die werden immer zuerst kontrolliert, uns lassen sie in Ruhe», und weiter: «Gehst du mit Schweizern aus, und es gibt Stress, bis du als Kosovare als erster dran». So geht das.

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