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Gesellschaft & Religion Schweizer Kartografie-Handwerk für Abenteurer in aller Welt

Wir Schweizer sind verwöhnt, was Landkarten angeht. Das gute Kartenmaterial, das wir von unseren Alpen kennen, ist in anderen Regionen der Welt – auch bei populären Zielen – nicht immer selbstverständlich. Ein Bergführer und eine Kartografin haben sich aufgemacht, dies zu ändern.

Der Bergführer Sacha Wettstein und die Kartografin Sandra Greulich gehen seit Jahren gemeinsam auf Expeditionen in die ganze Welt. Was sie auf ihren Reisen in ferne Gegenden am meisten vermissen? Das gute Kartenmaterial, das für uns in der Schweiz selbstverständlich ist.

Eine Strassenkarte liesse sich meist auftreiben, erzählt Sacha Wettstein. Aber eine Karte mit nützlichen topografischen Inhalten wie die genaue Geländeform, aber auch Felsen und Vegetation, liesse sich für Bergsteiger nur selten finden. Auch nicht bei beliebten Expeditionszielen, wie dem 6962 Meter hohen Cerro Aconcagua in Argentinien.

Eine Frau und ein Mann in Outdoor-Kleidung.
Legende: Ausgerüstet mit GPS-Geräten, Kameras und Zeichnungsmaterial erkunden Sandra Greulich und Sacha Wettstein die Gegend. climbing-map.com

Unterwegs auf namenlosen Gipfeln

Also beschliessen Sacha Wettstein und Sandra Greulich, eine Karte des Aconcagua nach Schweizer Vorbild zu erstellen. 2004 bereisen sie dazu wochenlang die Gegend. Ausgerüstet mit GPS-Geräten und Fotokameras laufen sie durch das unwegsame Gelände rund um den Berg.

Sie erkunden verlassene Seitentäler, besteigen namenlose Gipfel rund um den vergletscherten Sechstausender, um verschiedene Ansichten ihres Hauptobjektes zu erhalten. Immer mit im Gepäck: Zeichnungsmaterial für Handskizzen.

Die besondere Schweizer Optik

Natürlich müssen sie die Gipfel und Täler nicht komplett neu vermessen. Das haben schon andere vor ihnen gemacht. Ihr Hauptanliegen ist die Detailtreue, die sie verbessern wollen. Wo gehen die Zustiege genau durch? Wo hat es eine Brücke über den reissenden Fluss und wo nicht? Gibt es Wasser beim Basislager?

Mit den vorhandenen Informationen aus existierenden Karten und Satellitendaten erstellen Greulich und Wettstein eine erste grobe Darstellung: die Basiskarte. Draussen im Gelände legen die beiden dann eine transparente Folie darüber und zeichnen alle Detailerkundungen ein.

Sandra Greulich konzentriert sich auf das Wegnetz. Sacha Wettstein richtet seinen Fokus auf das Gelände und skizziert bereits hier schematisch die markanten Felsbänder und Gletscherabbrüche. Genau diese Art der Darstellung ist eine der Besonderheiten der Optik von schweizerischen Landeskarten: die sogenannten «Schraffen».

Den Strich zittern

Sie wollten bewusst die gewohnten Signaturen der schweizerischen Landeskarten übernehmen, erzählt Wettstein. Dazu gehört auch, dass die Striche, die Felsformationen zeigen, mit Absicht zittrig gezeichnet werden.

«Die Felsen draussen, wenn man sie anschaut, sind immer unregelmässig», sagt Sacha Wettstein. Werden die Felsen auf dem Papier mit einem zittrigen Strich gezeichnet, wirken sie natürlicher. Zurück von der Feldarbeit zeichnet er mit Feder und Tusche die Handskizzen ins Reine.

Ein Jahr pro Karte

Anschliessend werden die Zeichnungen digitalisiert und in den Computer übertragen. Dort entsteht dann das weitere der typischen Optik der schweizerischen Karte: Die Beleuchtung der Reliefs, welche die Berge plastisch erscheinen lässt, die Höhenkurven und die Farbgebung für Felsen und Gletscher.

In eine einzige Karte fliesse die Arbeit von etwa einem Jahr ein, so Wettstein. Es sei ein Freizeitprojekt. Der Verkauf über ihren eigenen kleinen Onlineshop decke gerade die Produktions- und Reisekosten.

Sechstausender kartographisch verewigt

Mittlerweile haben Sandra Greulich und Sacha Wettstein sechs Karten produziert, von unterschiedlichen Expeditionszielen aus allen Teilen der Welt. Das neuste Produkt erschien 2014: eine Doppelkarte vom Island Peak und vom Mera Peak, zwei Sechstausendern in der Khumbu Region in Nepal. Ein neues Projekt ist zurzeit nicht geplant.

Bis zum nächsten Mal wahrscheinlich, wenn sich Sacha Wettstein und Sandra Greulich auf einer Expedition in ferne Weltgegenden mit schlechtem Kartenmaterial herumschlagen müssen.

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