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Gesellschaft & Religion Syrer haben selten das Ziel Schweiz – wieso eigentlich?

Der derzeitige Flüchtlingsbewegung nach Europa sei erst der Anfang. Das glaubt Stefan Frey, Mediensprecher der Schweizer Flüchtlingshilfe. Die meisten Syrer haben das Ziel Deutschland – nur wenige kommen derzeit in die Schweiz. Doch das könne sich jederzeit ändern.

Rund 12 Millionen Syrer sind derzeit auf der Flucht vor dem Krieg in ihrer Heimat. Von jenen, die es bis nach Europa schaffen, wollen sehr viele nach Deutschland und nur wenige in die Schweiz. Was sind die Gründe dafür?

Stefan Frey: Es gibt verschiedene Gründe. Und dazu muss man sagen: Das kann sich jederzeit ändern. Die aktuelle Situation ist so, dass aufgrund der bedeutenden Diaspora der Syrer in Deutschland – im Übrigen auch in Schweden, Dänemark und Norwegen – die Route nach Deutschland am häufigsten gewählt wird. Das ist logisch: Wenn Menschen flüchten, dann dorthin, wo sie möglichst schnelle Kontakte und Netzwerke erhoffen.

Flüchtlinge gehen also dorthin, wo sie schon jemanden kennen. Welche Rolle spielt die Asylpolitik für die Wahl des Ziellandes?

Zur Person

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Stefan Frey ist Mediensprecher der Schweizer Flüchtlingshilfe.

Ich denke, die spielt überhaupt keine Rolle. Das lässt sich daran ablesen, dass die Schweizer Politik in den letzten 20 Jahren dauernd Verschärfungen des Asylgesetzes durchgeboxt hat – was aber überhaupt keinen Einfluss auf die Fluchtbewegungen hatte. Fluchtbewegungen werden nicht durch die Situation in den Zielländern beeinflusst, sondern durch die Situation in den Herkunftsländern. Solange der Krieg in Syrien andauert und auch das Regime in Eritrea derart menschenunwürdig ist, werden die Fluchtbewegungen fortgesetzt.

Wenn aber so viele Flüchtlinge nach Deutschland wollen: Hat das nicht auch mit den Signalen der deutschen Regierung zu tun? Bundeskanzlerin Merkel sagte, sie würde keine Flüchtlinge nach Ungarn zurückschicken.

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Die Glückskette ruft zu Spenden für die Flüchtlinge auf. Diese können auf das Konto 10-15000-6 (Vermerk «Flüchtlinge»), auf www.glueckskette.ch oder via App «Swiss Solidarity» überwiesen werden.

Das mag in einer zweiten Bewegung vielleicht eine Rolle gespielt haben. Aber man darf nicht vergessen: Die Bundeskanzlerin hat ja diese Aussagen erst gemacht, nachdem die Menschen bereits auf dem Balkan blockiert gewesen waren – insofern kann dies nicht der Hauptantrieb gewesen sein. Vielmehr geht es darum, dass sich die Menschen und ihre Familien in Sicherheit bringen wollen.

Weiss man, welches Bild die syrischen Flüchtlinge von der Schweiz haben?

Das ist schwierig zu sagen. Ich gehe davon aus, dass das Bild der Leute, die sich jetzt in den Lagern dafür entscheiden in die Schweiz zu kommen, geprägt ist von ihren Verwandten, die bereits hier sind. Das Bild der Schweiz, das Syrer anderen Syrern übermitteln, ist etwas gemischt ist. Viele Syrer stammen aus guten Verhältnissen, und hier müssen sie von Null auf anfangen. Das wird aber nicht entscheidend dafür sein, ob sie in die Schweiz kommen. Denn primär geht es darum, sein Leben zu retten.

Im Moment sind nur sehr wenige syrische Flüchtlinge in der Schweiz. Sie vermuten also, dass noch mehr kommen werden?

Zuerst einmal hoffe ich, dass ich mich täusche mit meiner Einschätzung. Aber nach allem, was wir bis jetzt gesehen haben müssen wir davon ausgehen, dass das nur der Auftakt ist – der Beginn einer ganz grossen Bewegung. Die Menschen in den Lagern rund um Syrien haben die Hoffnung völlig aufgegeben. Man ist sich dort jetzt bewusst, dass sich die Lage in Syrien auf Jahre hinweg nicht ändern wird. Familien werden sich überlegen, ob sie nochmal einen harten Winter in einem dortigen Flüchtlingslager verbringen können. Aufgrund dieser Hoffnungslosigkeit werden sich viele dafür entscheiden, ihre paar Sachen zu packen und mit ihren Kindern loszuziehen.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt vom 08.09.2015, 17:15 Uhr

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